Samstag, 2. Oktober 2010

Liebend

Angefangener Text von gestern: Erster von drei oder vier geplanten Posts über den Vermieter von der Tess oder ihren Freund oder Lebensgefährten. Wer auch immer er für sie ist. Auf jeden Fall der Mann, in dessen Bett sie schläft, wenn sie nicht Streit mit ihm hat und sich ihm entzieht, indem sie im Contessa-Zimmer übernachtet. Sie hat schon lange nicht mehr im Contessa-Zimmer übernachtet. Das kann nur heißen, dass es zwischen den beiden gut läuft oder dass sie gar nicht da ist. Ihn sehe ich. Sie sehe ich nicht. Vorgestern habe ich eine Frau von der Gestalt und mit der Haarfarbe der Tess im Wohnzimmer stehen und mit jemandem reden gesehen, der verdeckt war, vermutlich der Professor. Die Frau sah nicht aus wie die Tess. Könnte aber doch sie gewesen sein, weil die Tess bekanntlich die Vielgesichtigkeit schöner Menschen hat. Die Schwierigkeit in solchen Momenten ist, dass ich kein Voyeur bin. Dass ich eine Scheu habe in so einem Moment, stehen zu bleiben und so lange zu starren, bis ich zu einem Ergebnis gekommen bin. Statt dessen wende ich mich reflexartig ab und habe zu wenig gesehen und doch genug, um mir alles Mögliche vorstellen zu können. In dem Fall habe ich mir vorgestellt, dass das eine neue Untermieterin ist, die jetzt das Contessa-Zimmer beziehen wird. So dass der Tess ihre Rückzugsmöglichkeit genommen ist. Wenn sie die noch braucht. Denn es könnte sein, dass es mittlerweile so gut geht zwischen dem Professor und ihr, dass die beiden beschlossen haben, das Zimmer, das eigentlich ein kleines Apartment ist, an jemanden anderen zu vermieten. Bis jetzt hat sich jedoch nichts getan in dem Zimmer, das darauf hindeutet, dass jemand einzieht. So dass es auch sein könnte, dass das die Tess war, die in dem Wohnzimmer stand, oder vielleicht eine Frau, die nur zu Besuch da gewesen ist. Mir ist klar, dass das keine Freude ist, so einen Text zu lesen. Es ist auch keine Freude, so einen Text zu schreiben. Und Tag für Tag mit den beschriebenen Erwägungen und Zweifeln sich abzugeben ist auch keine Freude. Aber immer noch besser, als nur an mich zu denken, weil es sonst niemanden gibt, an den ich denken kann - liebend hin denken kann, wie der leider weggezogene Christoph (Wasserpflanze) das mal formuliert hat. Das wäre schlimm, wenn es niemanden gäbe, zu dem ich liebend hin denken kann, hat er gesagt, als ich ihm erzählte, wie alleine ich bin, und er das gar nicht glauben wollte. Das ist schon eine Weile her. Inzwischen habe ich die Tess, zu der ich liebend hin denken kann. Mit all den Erwägungen und Zweifeln, die es gibt, seit ich zur Tess hin denke - in immer neuen Varianten gibt. Doch letzten Endes ist es immer das selbe. – Und der Text von gestern? Auf den hatte ich erst keine Lust. Inzwischen habe ich ihn zu Ende geschrieben und in Das alte Biest gestellt. Titel: Rivale.