Freitag, 5. November 2010

Aussprache

Mit der alten Freundin war es so, dass wir uns nie ausgesprochen haben. Als sich schließlich zu viel Unausgesprochenes angesammelt hatte zwischen uns, fingen wir an uns fremd zu werden und eines Morgens hat sie gesagt: Wolfgang, komm mal bitte her. Darauf habe ich mich hingesetzt zu ihr an den Tisch und sie hat gesagt: Ich habe mich verliebt. Da habe ich genickt, weil ich das schon geahnt hatte, dass sie einen anderen Mann hat, allerdings nicht, dass sie sagen würde, ich habe mich verliebt in den anderen Mann. – Später hat sie einmal erklärt, dass sie nicht daran glaubt, dass Menschen sich ändern. Ich sehe es so: Es gibt Menschen, die an Veränderung glauben, und die verändern sich auch. Und es gibt Menschen, die nicht an Veränderung glauben, und die verändern sich nicht. – Diese Woche hatten wir einen kurzen Wortwechsel. Sie: Wenn ich dir nichts mehr sagen kann, ohne dass es ein paar Tage später in deinem Blog steht, dann erzähle ich dir eben nichts mehr. – Ich habe mich verteidigt, indem ich sagte, dass sie weiß, dass ich mein Leben veröffentliche. Dass sie deshalb damit rechnen musste, dass ich darüber schreibe, wenn sie mich auffordert, mir einen Text ihres Mannes anzuschauen; da ich sie für sehr schlau halte, habe ich sogar angenommen, dass sie es darauf angelegt hat, dass ich es tue. Wenn sie  will, dass ich über etwas Stillschweigen bewahre, dann muss sie mir das ausdrücklich sagen. Und dann kann sie sich darauf verlassen, das ich mich daran halte. Außerdem habe ich nicht mal ihren Namen genannt. Obwohl ich ihn gerne genannt hätte, weil ich sie gerne in den Blog einführen würde und ihren Mann auch. Weil ich gerne mit ihnen beiden die Geschichte erzählen würde, wie der Mann und ich uns endlich kennenlernen und das dazu führt, dass er nicht mehr zwischen ihr und mir steht in der Freundschaft, die wir haben könnten. Das wollte ich ihr heute schreiben und anregen, dass wir den Vorfall mit dem Text ihres Mannes zum Anlass nehmen, das zu tun, was wir noch nie getan haben: uns auszusprechen. Doch kam es mir dann so unwahrscheinlich vor, dass das geschehen wird, dass ich es gelassen habe, ihr das vorzuschlagen.  – In dem Wortwechsel mit ihr habe ich auch einen Fehler gemacht. Ich habe nicht nur gesagt, dass ich glaube, dass ihr Mann ein harter Hund ist, viel härter jedenfalls als ich es bin, zum Schluss habe ich auch noch etwas Gehässiges über ihn gesagt, das ich auch so gemeint habe, nur rückblickend erscheint es mir völlig unnötig und auch falsch, was ich da über ihn gesagt habe. Außerdem habe ich in dem Wortwechsel noch erklärt, dass ich jetzt Ernst machen werde mit der Plot-Idee in meinem Blog. Dass ich jetzt anfangen werde, mir Mitspieler zu suchen. Von denen werde ich erzählen. Und wer nicht vorkommen will in dem Blog, der ist dann eben draußen, auch aus meinem Leben. Und wenn sie, die alte  Freundin, nicht vorkommen will im Blog, dann ist sie eben auch draußen aus meinem Leben. Das war überzogen und auch unnötig, das zu sagen. Aber es stimmt, dass ich zur Zeit überlege, wie ich Mitspieler finden kann, die wollen, dass ich über sie schreibe – wie zum Beispiel Peter – und dass ich mit ihnen eine Geschichte erzählen will, die davon handelt, was passiert, wenn nichts unausgesprochen bleibt. – Interessenten bitte melden!