Freitag, 11. Februar 2011

Zausel

To me Western is gunplay and horses. – Wer hat das gesagt? – Howard Hawks: They're about adventurous life and sudden death. It's the most dramatic thing you can do. – Die Coen Brothers, von denen das nicht zu erwarten war, haben jetzt auch einen Western gemacht: True Grit, der nichts von alledem hat, was man von einem Coen-Brothers-Film erwartet. Außer dass Jeff Bridges, der Dude aus The Big Lebowski, mitspielt. Der Film ist frei vom abgründigen Humor der Coens. Deshalb ist er für die ganze Familie geeignet und mit großem Kassenerfolg in den USA an den Weihnachtsfeiertagen gestartet worden. Am 24. Februar kommt der Film in Deutschland in die Kinos und gestern wurden mit ihm die 61. Berliner Filmfestspiele eröffnet. Eine bessere Werbeveranstaltung konnte es für den Deutschlandstart von True Grit nicht geben. Aber offenbar ist es so, dass das Berliner Festival sich in diesem Jahr schwer tat, einen attraktiven Eröffnungsfilm zur Welturaufführung zu bekommen - mit einem Star vom Format von Jeff Bridges, der auf dem roten Teppich etwas hermacht am Eröffnungsabend. David Cronenbergs A Dangerous Method wäre geeignet gewesen als Eröffnungsfilm. Er ist auch entgegen anders lautenden Gerüchten rechtzeitig fertig geworden. Aber Hauptdarstellerin Keira Knightley hätte nicht nach Berlin kommen können, weil sie gerade in London Theater spielt, und Hauptnebendarsteller Viggo Mortensen hatte auch keine Zeit, um über den roten Teppich zu gehen. Deshalb wird David Cronenberg seinen Psychoanalyse-Film (aber mehr C.G.Jung als Freud) beim Festival in Toronto uraufführen. Wäre noch der neue Film von Lars von Trier gewesen. Aber der ist nicht rechtzeitig fertig geworden. Angeblich. Kann nämlich gut sein, dass Lars von Trier es vorzieht, ihn in Cannes zu präsentieren, weil es dort im Mai schöner ist als am Potsdamer Platz im Februar und weil es dort keine Überrepräsentanz verbiesterter deutscher Filmkritiker gibt wie in Berlin.
Und sonst habe ich keine Sorgen? – Doch. Vorhin hatte ich es beim Geldholen mit einem dicken Mann mit grauen Haaren und grauem Bart zu tun; Typus Harry Rowohlt, aber jünger. Als ich an den einen der beiden Geldautomaten trat, kam er mir zuvor, so dass ich an den anderen Automaten gehen musste, an dem er sich zuvor zu schaffen gemacht hatte. – Kaputt? frage ich. – Nein, nein. Der Automat hat meine Karte nicht angenommen. – Und warum sollte der andere sie jetzt annehmen? frage ich ihn. Worauf es zu einem am Rande des Schwachsinns balancierenden Dialog kommt, der unaufhaltsam auf die Zeile: Die Hoffnung stirbt zuletzt zusteuertSeine Karte hat dann funktioniert, er hat Geld abgehoben und sich mit freundlichen Grüßen verabschiedet. – Nachdem ich die Sparkassenfiliale (Hauptstraße) verlassen hatte, sah ich den Mann vom Bankautomaten ein paar Häuser weiter aus einer Bäckerei kommen. Er hat mich auch gesehen, aber mein Lächeln nicht erwidert. Doch das war nicht der Grund, warum ich im Weitergehen überlegte, dass das bestimmt ein Vorurteil ist, dass hinter der Bankautomaten-Kriminalität immer das Internationale Verbrechen in Gestalt drahtiger junger Männer mit dichtem, geölten schwarzen Haar steckt. Dass doch genau so gut ein zauseliger Graubart in meinem Alter und in ähnlich prekären Verhältnissen wie ich die schlichten Tricks drauf haben könnte, mit denen ein Geldautomat zu überlisten ist. Schon sah ich mich beim nächsten Geldabheben dumm dastehen - und machte sofort kehrt, um nachzuschauen, ob er auch zurückgegangen ist, um sein kleines schlaues Diebeswerkzeug aus dem Kartenschlitz des Automaten zu nehmen, an dem ich Geld abgehoben und er meine Daten ausgelesen hatte. Doch da sah ich ihn schon in entgegengesetzter Richtung gehen, auf mich zu kommen. War er so schnell gewesen? Zurück zur Sparkasse, Diebeswerkzeug geholt und jetzt schon wieder auf der Straße. Ausgeschlossen. Fall von Paranoia. Schwere Paranoia. Als hätte ich nichts anderes zu denken als so einen Kram. Und das alles nur, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass eine EC-Karte von einem Bankautomaten nicht angenommen wird, während sie am anderen ohne weiteres funktioniert. Und, ich gebe es zu: Weil ich Ressentiments gegen Männer meines Alters habe, die so aussehen wie Harry Rowohlt, den ich auch nicht leiden kann. Das weiß ich allerdings erst seit heute. - Kurz darauf, nachdem ich bei Rossmann mit einer angenehm kompetenten Verkäuferin ein längeres Fachgespräch über Duschgels für cremefaule Männer geführt hatte, habe ich den Mann vom Bankautomaten noch mal gesehen. Er stand an einer Ampel, ein Süßstück kauend, Krümel im grauen Zauselbart, die Jeans eingerissen über dem rechten Knie, billige klobige Turnschuhe an den Füßen. Und als er bemerkt hat, dass ich ihn anschaue, hat er mit einem kaltem Blick zurückgeguckt und mich auch gemustert.