Mittwoch, 18. Mai 2011

Knöpfe

Zurück aus New York. Auf dem Rückweg noch Bernard-Henri Lévy´s Verteidigungsartikel auf The Daily Beast  gelesen, mit dem er leidenschaftlich beweist, was für einen guten Freund Dominique Strauss-Kahn in ihm hat. Plädoyer für die Unschuldsvermutung. Aber ja! So wäre es für alle am besten, auch für Nafissatou, wenn gar nichts passiert oder alles ganz anders gewesen wäre.

Zurück in meiner Welt und in der hat niemand etwas zu fürchten außer mir. Knock, knock! – Who´s there? – Hunger! – Ganz so schlimm wird es nicht werden, aber … keine Einzelheiten. Jeder schlechte Tag hat sein Thema. Heute ist das Thema Ruin. Ein guter Tag, ein schlechter Tag. Bei der jungen Frau im Kaiser Kiosk ist es auch so: gestern ein guter Tag, heute nicht so gut. Und Serhat ist nicht da, er kommt erst in einer Stunde.

Matthias sieht so anders aus. So Rosig, so glatt, so entspannt. Wart ihr in Urlaub? Oder hast du dich neu verliebt in Anna? – Vergessen, was sie darauf gesagt hat. Er erzählt, dass er seit Anfang des Jahres keinen Alkohol mehr trinkt und wieder läuft, im Volkspark, dreimal die Woche. – Erstaunlich, wie verjüngt du bist. Und was ist mit der Malerei? – Die wollte er letztes Jahr aufgeben wegen Erfolglosigkeit und daran schien nichts mehr zu ändern zu sein. Jetzt sagt er: Das kommt als nächstes. – Dass er mit der Malerei wieder anfängt, so verstehe ich ihn. Gut!

Die sehr sympathische und auskunftsbereite Verkäuferin im Taschenladen ist nicht die gleiche wie die von letzter Woche. Sie hat gerade angefangen. Ihr erster Arbeitstag. – Und wie ist es? – Sie mag die vielen kleinen Sachen in dem Laden, sagt sie. – Den Krimskrams, wie ich sage, nicht abwertend gemeint. – Vieles, was es in dem Laden gibt, würde sie selbst gerne haben, sagt sie. Und ist das nicht die beste Voraussetzung, um in so einem Laden zu arbeiten? – Ich stimme ihr zu und frage, wie viele Kunden sie schon hatte. – Zwei. – 14. 15 Uhr. Da kann sich noch viel tun heute. Viel Erfolg und viel Spaß! – Der Chef ist kurz mal weggegangen. Kommt in einer Stunde wieder. Soll ich ihm was ausrichten? - Nein, es ist nicht dringend. Dann eben ein andermal.

Vorstellung, dass das immer so weiter geht: er ist jedes Mal gerade weggegangen, wenn ich komme. Bei den kurzen Gesprächen mit seinen Mitarbeiterinnen erfahre ich dann nach und nach alles über ihn und seinen Laden. Zum Beispiel weiß ich inzwischen, dass er ein gutes Gespür bei der Auswahl seiner Mitarbeiterinnen hat und jetzt schon, bei der zweiten, die ich kennenlerne, glaube ich Rückschlüsse darauf ziehen zu können, was er für einer ist, wenn er diesen Typus von Frauen beschäftigt. Ich werde schon über mehrere andere Läden geschrieben haben, da füge ich immer noch einen weiteren Eindruck zu dem Bild von seinem Laden hinzu und von ihm, den ich vielleicht nie kennen, aber mehr und mehr schätzen lernen werde. Geht auch schon los. Oleg vom Stoffladen gegenüber - Fichu - kennt ihn natürlich, redet aber seit acht Jahren nicht mehr mit ihm wegen eines Vorfalls, den es einmal gegeben hat auf einem Flohmarkt, auf dem sie beide einen Stand hatten. Oleg erzählt mir den Vorfall. Für mich eine Bubengeschichte. Der wollte dich doch nur foppen, das war doch nicht böse gemeint. Oleg grimmig: Dann bist du also auch so einer? So ein Sadist. – Das ist doch kein Sadismus. Das war doch nur Jux und Dollerei. Oleg unversöhnlich: Soll ich das mal mit dir so machen wie er und dir mein Knie in deine Kniekehle rammen? – Nein, heute bitte nicht.

Ich erzähle Oleg, dass ich jetzt jede Woche über einen Laden im Kiez schreiben will, der mir gefällt oder über den ich immer schon mal mehr wissen wollte. Dein Laden kommt auch irgendwann dran, sage ich. Nicht auszumachen, ob ihn das freut oder ob es ihm lieber wäre, in meinem Blog nicht vorzukommen. Immerhin weiß er von dem Blog. Er ist der erste Gesprächspartner im Kiez, der das zu erkennen gibt. Oleg. Heute war ich zum ersten Mal drinnen in seinem Laden und habe sein legendäres Knöpfesortiment gesehen. Kann es sein, dass Leute zu dir kommen von weither, weil sie bei dir Knöpfe bekommen, die es anderswo nicht gibt? – Das will ich doch hoffen, dass das so ist, meint er mürrisch und spricht dann voller Verachtung über die Standardware in anderen Läden: Wenn du auf Zauber aus bist und da hinkommst, dann denkst du, du bist in der Hölle.

Soll ich über Olegs Laden auch so schreiben, wie es sich beim Taschenladen abzeichnet? In Fortsetzungen, immer wieder im Vorbeigehen einen Eindruck mitnehmen, und so nach und nach ein Bild entstehen lassen? Soll ich über alle Läden so schreiben? Nicht ein Mal die Woche eine Geschichte über einen Laden, ein Mal die Woche ein Flanier-Tag, an dem ich so unterwegs bin, wie ich es heute war. Neue Idee. Schon ist die Stimmung besser. Und diesen wunderschönen Satz habe ich auch noch mit nach Hause gebracht: Wenn du auf Zauber aus bist und da hinkommst, dann denkst du, du bist in der Hölle.