Montag, 20. Juni 2011

Verschlossen

Heute fällt mir nichts ein. Die Stille nach dem Schluss? Unwahrscheinlich. Schreibe ich als Statusmeldung auf der Facebook-Seite von Biest zu Biest, wo ich jeden Morgen das Link zum Text des Vortags poste. Das interessiert so gut wie niemanden. Zwei Besucher täglich hat die Seite im Durchschnitt. Das kann sich auch mal ändern. Aber nicht, wenn die Seite nicht publiziert ist. Immer mal wieder kriege ich von Facebook die Meldung: Your page has not been published. Ob ich das jetzt machen will, werde ich gefragt. Gerade gestern wieder. Na, klar will ich das. Taste drücken und ab! Wie oft eigentlich noch? Was ist da los? An Facebook liegt es bestimmt nicht. Facebook funktioniert so einfach wie zickenfrei. Funkt mir da jemand von außen dazwischen? Ich habe kein Interesse an dieser Erklärung. Ich will nicht, dass mir so etwas passiert. Ich will mit Leuten, die so etwas machen, nichts zu tun haben. Ich kann mir meine Welt erschaffen, indem ich mir sorgsam aussuche, wen und was ich in meinen Kopf lasse. Und mit wem oder was ich mich schreiberisch beschäftige sowieso. Heute soll das die Apfel-Galerie in der Goltzstraße sein.  Da bin ich am Samstag schon gewesen. Aber da war so viel los im Laden, da wollte ich nicht stören mit meinen neugierigen Fragen. Heute passt es bestimmt besser. Doch bevor ich da hingehe, will ich erst noch in die Bibliothek, um dort an einem Internet-PC das Passwort für die Facebook-Seite von Biest zu Biest zu ändern. Warum mache ich das dort und was habe ich davon? Das lasse ich jetzt mal weg. Wenn es mir selbst schon wie Paranoia-Stoff vorkommt, was sollen dann erst andere denken? Der Nachbar oder seine zauberhafte Freundin zum Beispiel. Wenn ich hier den Eindruck erwecke, er würde, eingehackt wie er ist bei mir, meine Facebook-Seite manipulieren (so dass sie im Netz nicht gefunden werden kann, weil sie auf nicht publizieren eingestellt ist). Als hätte er nichts Besseres zu tun, als solche Bubenstücke auszuhecken. Da nimmt der mich doch als Gegner nicht mehr ernst, wenn ich damit ankomme. Was allerdings voraussetzen würde, dass er meinen Blog liest, und das würde er mit Sicherheit weit von sich weisen. Ihren Blog lese ich alleine schon deshalb nicht, weil ich Ihnen meinen Klick für Ihre Blogstatistik nicht gönne. Das würde ich an seiner Stelle sagen. Aber so ist er nicht. Er steht da drüber. Blog? Sie schreiben einen Blog? – Und in dem Blog, da schreibe ich schon wieder über den Nachbarn? Ja, weil kaum hatte ich das Haus verlassen, wer kommt mir entgegen? Ein älterer Herr, der mich nach dem Weg zum Schöneberger Rathaus fragt. Und als ich weitergehe und mich noch freue darüber, dass ich behilflich sein konnte (er hätte schließlich auch nach was fragen können, was ich nicht weiß), kommt ein großer Mann mir entgegen, riesiger Kerl mit einer Flasche Orangensaft in der Hand, die er sich gerade gekauft hat, und als er an mir vorbei geht, denke ich: Hey, ist das nicht der Nachbar? Gar nicht gleich erkannt, vielleicht wegen der kürzeren Haare, frisch geschnitten. Spätestens in dem Moment muss er mich auch erkannt haben, denn er guckt von der Höhe seiner 2 Meter, die er bestimmt misst, auf mich herab – mit einem Ausdruck, den ich beschreiben könnte als geringschätzig oder verächtlich. Aber das kann auch eine Projektion sein. Zweifelsfrei ist: er guckt - bedingt durch den Höhenunterschied – auf mich herab, wie man nicht jemanden anguckt, der einem unbekannt ist. Das kann nur heißen, dass er sich daran erinnert hat, dass ich neulich in seinem Wohnzimmer zu Gast war und an unser Gespräch hat er sich vielleicht auch noch erinnert. Aber gegrüßt hat er mich deswegen nicht und nicht einmal den Ansatz eines Lächelns gezeigt hat er. So wie ich es getan habe, als ich ihn erkannte, ihn dann aber auch nicht gegrüßt habe, wegen des Blicks von oben herab und der Verschlossenheit seiner Miene. – Was bist du aber auch stur! habe ich mich hinterher gescholten. Wenn er so verschlossen ist, muss ich da mitmachen? Vielleicht wäre er ja gerne erlöst worden von mir aus seiner Verschlossenheit. Vielleicht würde er gerne mit mir reden. Vielleicht will er mir was sagen oder einfach nur unseren Umgang entspannen. - So wie der geguckt hat? - Die Wahrheit ist: Was war das denn? habe ich gedacht nach dieser unheimlichen Begegnung und innerlich Pfff habe ich gemacht. Dann bin ich in die Bibliothek, habe das Passwort meines Facebook-Accounts geändert und anschließend bin ich zur Apfel-Galerie gegangen in die Goltzstraße und im Gespräch mit der Besitzerin habe ich schnell gemerkt, dass der Laden noch viel interessanter ist als ich erwartet hatte. Dass ich mich gescholten habe wegen meiner Sturheit und mir dann überlegt, dass der Nachbar vielleicht gerne erlöst werden würde aus seiner Verschlossenheit, das ist alles erst jetzt passiert beim Schreiben. Dazu ist das Schreiben da, dass etwas passiert, was sonst nicht passieren würde. Aber was mache ich nun damit? – Die richtige Antwort lautet: Ihn anrufen. - Mache ich jetzt. - Anrufbeantworter. Er ist nicht da oder er geht nicht ans Telefon. 17.53 Uhr. Sicher nicht da. - Was hätte ich gesagt, wenn er ans Telefon gegangen wäre? - Hat es an mir gelegen, dass wir uns nicht gegrüßt haben, weil ich Sie nicht sofort erkannt habe? Das ist mir mit Ihrer Freundin übrigens auch einige Male passiert, dass ich sie in meiner verträumten Art zu spät erkannt habe, und als mir dann klar wurde, hey, das war sie eben, da war es schon zu spät. Sie hat es mir allerdings auch nicht leicht gemacht, weil sie mich immer angeguckt hat, als hätte sie mit der Situation nichts zu tun. Wenn ich es mir recht überlege, hat sie genauso verschlossen geguckt wie Sie heute Mittag. Keine Miene verzogen, kein Lächeln. Tatsächlich! Identische Körpersprache haben die beiden. Wie ein altes Ehepaar. Ich schweife ab. - Von seiner Verschlossenheit ihn erlösen. 21.05 Uhr. Nächster Anrufversuch. Wieder Anrufbeantworter. Nicht da? Verreist? Vielleicht hat er sich den Orangensaft für die Reise gekauft. Inzwischen beschäftige ich mehr mit ihm als mit ihr. Vielleicht ist das seine Absicht. Menschlicher Schutzschild. Schlau.

Ohne Bezug zum Text: Foto, von dem ich nicht genug kriegen konnte, nachdem ich es heute Früh entdeckt hatte in dieser Fotogalerie, Und hier nochmal das Foto einzelnOn the set of Fritz Lang’s Metropolis — the actress inside the Maria robot taking a breather.