Freitag, 8. Juli 2011

Schroff

ground bloom flower, 2008    acryl/lw    72x72x12 cm 
Schreibstarrkrampf beim Posting über den Atelierbesuch bei Judith Brunner. Erstens: Wegen zu viel zu schnell. Künftig werde ich nach einem solchen Künstlertreff notieren, dass ich einen Atelierbesuch gemacht habe, und erste Bilder zeigen, doch dann erstmal meine Eindrücke sich setzen lassen, bevor ich mehr schreibe. Zweitens: Ich muss meine Behutsamkeit ablegen oder lernen, anders mit ihr umzugehen. Die Arbeiten von Judith Brunner haben mir, als ich sie auf ihrer Website gesehen habe, überhaupt nicht gefallen. Ich fand sie langweilig und habe gedacht: typische Arbeit einer Grafikerin. Aber das war schon mal falsch. Fehlinformation von Brigitte Stamm, die mir Judith Brunner empfohlen und den Kontakt zwischen uns vermittelt hatte: ich dachte, Judith Brunner arbeitet hauptberuflich als Grafikerin und malt nur nebenbei. Dann bei ihr im Atelier der ganz andere Eindruck, nachdem sie mir ihr ästhetisches Konzept (Pattern Painting) erklärt hatte, vor allem aber: als ich ihre Gemälde im Original sah. Das habe ich dann auch ausgesprochen, dass ich mit ihren Bildern zunächst nichts anfangen konnte, und auch das Wort langweilig habe ich benutzt dabei. Und obwohl ich das nur gesagt habe, um zu beschreiben, wie überrascht ich war davon, wie ganz anders die Bilder jetzt auf mich wirken, da ich sie im Original sehe – und damit ihr zeigen wollte, wie gut mir ihre Bilder gefallen –, habe ich gespürt, wie Judith zusammengezuckt ist in dem Moment, als ich das sagte. Gespürt, denn ich habe sie nicht angesehen dabei. Wir standen nebeneinander in der Mitte des Ateliers und haben auf ihr an der Wand lehnendes Gemälde Last von 2010 geblickt. Von diesem Moment wollte ich erzählen in meinem Posting von gestern. Doch beim Schreiben kam mir das, was ich in dem Moment der Verblüffung gesagt hatte, so schroff vor, dass ich es nicht wiederholen wollte. Ich wollte Judith davor bewahren, diesen Moment beim Lesen meines Textes noch einmal erleben zu müssen, indem ich wiederhole, was sie hat zusammenzucken lassen – und wieder sie dabei nicht anzusehen, wieder nur der mit den harten Worten zu sein. Rücksichtnahme. Behutsamkeit. Gut. Schlecht. - Schlecht, weil ich damit nicht nur meine Schroffheit unterdrückt, das Biest zurückgehalten habe. Ich habe damit zugleich etwas ausgeblendet, das ein wichtiger Aspekt von Judith Brunners Kunst ist (melodramatisch: ihr Schicksal). Sie tut sich nicht hervor. Zwischen all der anderen Kunst wirkt sie – so wie bei meiner ersten, flüchtigen Betrachtung – unscheinbar, nichtssagend, beliebig, langweilig. Ihre Wirkung  – ruhende Energie – zeigt sie nur aus der Nähe und bei voller Aufmerksamkeit. Aber wozu habe ich den Text geschrieben? Doch eben dazu: Um aufmerksam zu machen auf diese Bilder. Und deshalb hätte ich diesen Moment der Verblüffung, dieses Vorher-Nachher-Erlebnis beim Betrachten den Originale beschreiben müssen. Um für Judith Brunner zu tun, was sie nicht tut. Als Künstlerin nicht tun will, als Person nicht tun kann: Laut Hier! zu rufen. Seht her! Hier ist mehr als ihr glaubt! Viel, viel mehr als es auf den ersten flüchtigen Blick den Anschein hat. 


                     triftS, 1988     acryl/lw     240x210x8cm 
Bilder: © Judith Brunner