Samstag, 30. Juli 2011

Van Hanegem 1

carrera 1    acrylic on canvas    172 x 242 cm    2005

Ab van Hanegem. Ab wie Abraham. A.B., wie ihn seine Freunde nennen, ausgesprochen wie die Abkürzung von Anrufbeantworter. A.B., so nennt er sich auch selbst, sagt Wendela, als ich sie nach seiner Festnetznummer frage. Aber am Telefon meldet er sich dann mit Ab. So wie ich ihn nenne, weil mir das besser gefällt, mich entfernt an Kapitän Ahab erinnert, schöner Name, aber sonst keine Parallelen zu Ab. Kein Besessener, kein Maniac. Das Gegenteil davon. Erster Eindruck, zehn Jahre her, wie er im Felsenkeller steht am Tresen, Cowboystiefel, Kragen der Jeansjacke hochgeschlagen. Raucher, Biertrinker und er unterhält sich mit dem Kind aus Bullerbü, mit Boel; die Schwedin und der Holländer reden Englisch. Guter Typ. Gestandener Mann. Kerl. Der Eindruck bestätigt sich, als ich mit ihm ins Gespräch komme. Auf Deutsch. Englisch kann er besser. Er, Jahrgang 1960. Seine Frau, Marja, Jahrgang 1956. Er hat die Bücher gelesen, die sie gelesen hat und ich auch. Namedropping: Tom Wolfe, Hunter S. Thompson, Tama Janowitz, Jay McInerney, Bret Easton Ellis. Über seine Malerei redet er nicht. Es ist nur klar, wenn er in die  Kneipe kommt, dann kommt er aus seinem Atelier. Einmal kriege ich mit, wie er die Kunstmarkt-Seite der FAZ liest. Da reden wir kurz über Kunsthandel; er kennt sich aus. Und dann bin ich nachts mal in seiner Wohnung und sehe zum ersten Mal ein Bild von ihm, bin überrascht, was für eine Malerei das ist und zugleich bestätigt in dem Eindruck, den ich von Anfang an von ihm hatte. Es ist Malerei, die für sich selbst steht. Auftritt eines Kerls. Gestanden. Kraftvoll. Abgeklärt. Weltläufig.

haus am fluss 1    acrylic on canvas    152 x 242 cm    2003

Aufgewachsen ist er in Vlissingen, kleine Stadt mit großem Nordseehafen. Von 1979 bis 1985 Academie voor Beeldende Kunsten St. Joost Breda. Danach zwei Jahre als Postgraduierter an der Rijksacademie van Beeldende Kunsten in Amsterdam, wo er seit Mitte der 80er Jahre lebt und arbeitet. 1995 kommt er zum ersten Mal nach Berlin, erlebt eine Stadt im Aufbruch und ist beeindruckt von der Kunst-Szene. Eigentlich ist sein Ziel New York, aber das Leben dort ist zu teuer: vier Tage in der Woche Umzug-Jobs machen müssen, um drei Tage malen zu können, das kann es nicht sein. Er entscheidet sich für Berlin, wo er seit 2001 jedes Jahr mehrere Monate verbringt; Wohnung und Atelier in Schöneberg.

untitled (2320 A 2)   acrylic on canvas    230 x 200 cm   2010

Er hat nicht viel von mir gehalten und es mir gezeigt. Trotzdem hatten wir uns viel zu sagen. Auf Deutsch. Hätten wir Englisch miteinander gesprochen, hätten wir die gleichen Startbedingungen gehabt. Vielleicht hat es daran gelegen. Vielleicht habe ich ihm zu viel geredet. An dem Abend, an dem es um amerikanische Literatur ging, sagte ich zu ihm, wir hätten doch mehr Gemeinsamkeiten als gedacht. Da hat er geantwortet: Für mich ist das nicht so. – Oh! – Gekränkt, beleidigt, eingeschnappt war ich nicht. Dazu war die Zurückweisung zu direkt, zu offen, zu ehrlich. Hart war sie trotzdem. Von da an habe ich ihm meinen Respekt nicht mehr so zuvorkommend gezeigt. Einmal habe ich zu ihm gesagt, dass seine Bilder, wenn man sie böswillig betrachtet, etwas von Musterentwürfen für Tapeten haben – Tapetenmuster aus den 60 Jahren. Da hat er mich traurig angeguckt und geantwortet: Das habe ich auch schon von anderen gehört. – Jetzt komme ich auf eine freundlichere Art auf die Bemerkung von damals zurück, indem ich einen Begriff benutze, den ich vor kurzem gelernt habe: Pattern Painting, frage ich, ist das eine Strömung, die dich beeinflusst hat? – Pattern Painting? Kennt er nicht. Op-Art. Da kommt er her. – Wir sitzen an seinem Schreibtisch. Apple Powerbook. Er schaut sich Beispiele von Pattern Painting an. Nicht sein Fall: Paul Klee, hat der nicht auch Pattern Painting gemacht? – Klee mag er nicht. – Und Mondrian? frage ich. Auch ein Vorläufer von Pattern Painting? – Nein! Auf keinen Fall. – Mondrian verehrt er. Seine Welt: Mein Hintergrund ist das Exakte und Technische. – Was hast du als Kind eigentlich für Bilder gemalt, Ab? – Na, wie alle Kinder meiner Generation: surrealistisch. Dalí. Aber dann bald für ihn wichtiger: Escher. Das surreale Spiel mit der Räumlichkeit, das Architektonische. Abs Vater war Ingenieur: Er hat mir schon sehr früh beigebracht, perspektivisch zu zeichnen. Das hat mich geprägt. Es ist immer noch das Räumliche, das mich begeistert.

folly 5     acrylic on canvas     172 x 242 m    2004

Ab spricht von Handlungen, Handlungen in einem Bild. Zwei Arten des Handelns. Zwei Sprachen: Gestaltend, architektonisch. Und die gestische, die expressionistische Malerei. Zwei Richtungen, in denen er arbeitet. Mal nur die eine, dann wieder die andere Richtung, manchmal das Gestaltende und das Gestische nebeneinander verfolgend. Und wenn es gelingt, beides mischend. Die Mischung ist das Ziel. - Expressionistisches räumlich zu machen, das macht Spaß, sagt er und zeigt mir an dem Bild, das er gerade fertigstellt, wie das geht: wie er mit einem feinen Pinsel und schwarzer oder grauer Farbe Schattenwirkungen erzeugt. –  Eigentlich ist das Betrug, meint er grinsend. Täuschung. Illusion. - Ich zucke mit den Achseln: Nennt man das nicht Trompe-l´œil? Und dann ist es okay, wenn man es so fein ausdrückt? – Aber nicht bei gestischer Malerei. Das höre ich immer wieder, dass mir die Leute sagen, das geht doch nicht. Das darfst du nicht machen. Aber das ist doch das Schöne an der Kunst, dass man alles machen kann. Ich muss nur aufpassen, dass es nicht kitschig wird. – Inwiefern? – Wenn es nur noch Tricks sind, dann wird es kitschig.

untitled (multiple. 12 parts)    acrylic on canvas    50 x 40 cm   2009
Bilder: © Ab van Hanegem