Samstag, 13. August 2011

Täterprofil

Blöd beim Plündern: keine Beratung. Bei Standard-Markenware wie der populären Sony Playstation oder dem Apple iPhone gibt es kein Vertun. Einstecken und sich wohlfühlen. Aber bei anderen Artikeln ist es schon besser, wenn einem gesagt wird, ob 12 oder 14 Millionen Pixel, das ist egal, aber worauf Sie unbedingt achten sollten: das Objektiv. Die Kamera hier zum Beispiel, die sieht zwar richtig scheiße aus, hat aber das weitaus beste Objektiv. – Das sieht man dem Teil nicht an. Das muss einem gesagt werden. Von einem Fachverkäufer. - Saturn. Tauentzienstraße. Fachverkäufer Foto/Camcorder. Am liebsten hätte ich mich gleich bei ihm mit einem Kauf bedankt für das gute Beratungsgespräch. So aber muss ich erst noch schauen, wie ich das Geld zusammenkratze für den Fotoapparat, mit dem ich den Blog visuell unabhängig machen will von Copyrights. Doch keine Sorge: Die beliebten KünstlerInnen-Porträts wird es weiterhin geben.

Beim Verlassen von Saturn an der großen Drehtür der Sicherheitsbeauftragte, der mir schon beim Betreten der Verkaufsräume aufgefallen ist. Keine 1 Meter 60 groß. Was ihm an Höhe fehlt, gleicht er aus mit Breite und Durchmesser. Kahlgeschorener Schädel, Koteletten bis zum Kieferknochen. Ohrring. So einer wäre früher Henker gewesen. Henkermaske über den Kopf gezogen, da sein Anblick auch ohne Gesicht schon erschreckend genug ist. Dunkelblauer Anzug mit Weste. Weste offen. Die Weste, die der zugeknöpft kriegt, die müsste er sich sonderanfertigen lassen. Aber wozu? Wenn er jemandem nachrennen muss, hat er verloren mit seiner Wampe und seinen kurzen Beinen. Aber wozu? Dafür hat er einen Kollegen. Arbeitsteilung. Sicherheitsbeauftragte sind immer zu zweit. Und er ist derjenige, der den Leuten in den Weg tritt und sagt: Darf ich mal ihren Einkaufsbeleg sehen? – Wie bitte? – Kassenzettel! Rechnung! – So hat die Szene bestimmt angefangen und dann muss etwas passiert sein in der Art von ein Wort ergab das andere und jetzt steht die Frau, die bürgerliche Frau steht da in Duldungsstarre, abgewandt von der Szene. So fein ist die Frau, dass sie nicht mal denkt: Abschaum. Nur den kleinen Kerl nicht angucken müssen, dem ihr Mann jetzt den Kassenzettel zeigt, nachdem er ihn endlich gefunden hat in den Taschen seines zu glatt gebügelten grauen Leinen-Sakkos. Auf dem Boden abgestellt ein Karton 40 x 40 x 60 cm mit irgendwas drin von der Firma Panasonic. Keine Ahnung, was passiert sein könnte. Warum nicht dem Sicherheitsbeauftragten den Beleg zeigen? Er hat doch einen. Der Sicherheitsmann überprüft ihn und währenddessen bemerkt der Mann meinen mehr bedauernden als neugierigen Blick und erwidert ihn, weniger verlegen als dankbar, für einen Moment sein Entgeistertsein mit jemandem teilen zu können. Der Mann: groß, halblange graue Haare, Gesichtstyp frisch pensionierter Oberstudienrat. – Zusammenfassung: Das gut situierte Paar hat irgendeine Unterhaltungselektronik von Panasonic bei Saturn gekauft und wird von einem kleinen dicken Mann behandelt, als wären sie gemeine Ladendiebe. Das ist es wahrscheinlich auch, was passiert ist: dass sie sich empört haben darüber, so behandelt zu werden. Darauf hat der Sicherheitsmann ihnen mit wenigen Worten seine Macht gezeigt und jetzt fühlen sie sich wie angepisst von ihm.

Nun kann der kleine Mann aber nichts dafür, dass er so klein ist. Und dass er so dick ist, das ist seine Sache; es mag gesundheitsschädigend sein (Diabetes; Herzinfarkt-Risiko), es macht ihn aber auch furchteinflößend und das war hilfreich, als er sich für seinen Job beworben hat. Den Job würde er nicht lange behalten, wenn er die Neigung hätte, die Macht, die sein Job ihm gibt, zu missbrauchen, indem er gut situierte Kunden schikaniert. Also gibt es sachliche Gründe, die ihn dazu bewogen haben, dem gut situierten Paar mit dem Panasonic-Kauf im Karton in den Weg zu treten und die beiden nach dem Einkaufsbeleg zu fragen. Es ist sogar anzunehmen, dass er das in ruhigem sachlichen Ton getan hat und mit einem höflichen Bitte! Fassungslosigkeit und Empörung des Paares dürften also Folge einer Selbsterregung sein, die allerdings auch wieder verständlich ist. Denn darauf muss man erst einmal kommen, dass Leute, die aussehen wie das sympathische Paar, unter der Tarnung ihrer Gutsituiertheit mittelgroße Kartons mit unbezahlter Panasonic-Ware bei Saturn raustragen. Und das haben sie getan. Nicht das sympathische Paar, Leute, die so aussahen wie das Paar. Denn wäre das nicht schon mal vorgekommen, wahrscheinlich sogar mehr als ein Mal vorgekommen, wäre der Sicherheitsmann den beiden nicht in den Weg getreten, weil – siehe oben – aus Schikane kann er es nicht getan haben. Also gibt es bei Saturn in der Tauentzienstraße ein Ladendieb-Profil, in welches das sympathische Paar passt. Wie interessant! Und wie gut, dass der Mann in dem grauen, zu glatt gebügelten Leinen-Sakko einen Einkaufsbeleg vorweisen konnte. Denn darüber hätte ich nicht schreiben wollen, wie die beiden von dem Sicherheitsmann in ruhigem sachlichen Ton gebeten werden, ihm zu folgen, und sein Kollege sich schon mal in die Nähe des Ausgangs stellt, um sie sich zu schnappen, wenn sie zu fliehen versuchen.

Was für eine Woche!