Montag, 29. August 2011

Wolke

Neulich meinte jemand (auf Englisch), was vor mir liegt, das sei vergleichbar mit der Aufgabe, to hold 100 tons of water in thin air with no visible means of support – 100 Tonnen Wasser in der Luft zu halten, stemmen könnte man auch sagen, aber das ohne sichtbare Hilfsmittel wie zum Beispiel einer Batterie von Hochdruckpumpen, also einer monumentalen Ausrüstung, die ich auch gar nicht zur Verfügung hätte. Doch darauf kommt es nicht an. Es ist nur ein Gedankenexperiment und ein Bild für die tatsächliche, die zum Schreien schwere Aufgabe, die vor mir liegt. Seltsames Bild. Was willst du mir damit zeigen? Willst du mich etwa entmutigen? – Doch dann kam es: Wie könnte das gehen, die 100 Tonnen Wasser in der Luft zu halten? – Build a cloud. Forme eine Wolke. – Na klar! Schlau! So geht es. Nur so. Aber was heißt das nun, übertragen auf meine Aufgabe? Etwas tun, das so naheliegend ist, dass ich es nicht gleich sehe? Und es ist kein ausgeklügeltes Verfahren, es ist etwas so Einfaches und Natürliches wie eine Wolke? Darüber habe ich dann mehrere Tage lang ergebnislos gebrütet, fasziniert von dem Bild mit der Wolke, bis ich es wieder vergessen habe.
Am Wochenende habe ich begonnen, für den Blog ein Inhaltsverzeichnis anzulegen. Mit Hilfe von Labels, mit denen Posts mit Stichwörtern etikettiert und so zu Themengruppen zusammengefasst werden können. Schon bemerkt, am rechten Rand, das Verzeichnis über dem Blog-Archiv? - Mit diesem Posting umfasst das Archiv 482 Texte. Von keinem Leser ist zu erwarten, dass er sich da an der Chronologie entlang durchwühlt. Jetzt auch nicht mehr nötig. Das Inhaltsverzeichnis macht das Archiv lesbar nach Stichworten. Seinen Interessen folgend kann man sich nun zielgerichtet durch das Blog-Archiv bewegen. Zum Beispiel Tot anklicken und alle 7 Texte lesen, die ich über oder ausgehend von Todesfällen geschrieben habe. Oder sich alle Postings anschauen zum Thema Kunst oder über die Polizei. Oder sehen, wer von mir zu Freunde gezählt wird und wer zu Fremde. Da bitte beachten, dass diese beiden Gruppen noch lange nicht vollständig sind. Auch die Stichworte sind noch nicht komplett. Ich habe gerade erst angefangen mit dem Inventarisieren. Und ich weiß auch noch gar nicht, ob ich alle Postings zuordnen und ob ich jedes Thema aufführen werde. Wird es zum Beispiel das Stichwort Contessa oder Tess oder Frau von gegenüber oder schöne Unbekannte geben? Das wäre dann sicher die umfangreichste Gruppe. Will ich mir das antun, die zusammenzustellen? Heute Früh habe ich mal in einen Text reingelesen, in dem ich sie liebevoll-ironisch meinen Sonnenstrahl genannt habe. Das wahrscheinlich bitterste Lächeln meines Lebens war das, das sich mir in dem Moment ins Gesicht gegraben hat. Tendenz: Ich lasse diese Texte im Archiv ruhen. Oder ich stelle nur eine Auswahl zusammen. Ein Best of. Best of Tess?

Roman
Der Host Blogger bietet zwei Anzeigeformen an für das Verzeichnis nach Stichworten: Liste und Cloud. Was am rechten Rand zu sehen ist, das ist die Wolken-Anzeige. Wie bei einer Haufen- oder Quellwolke gibt es unterschiedlich große Haufen. Die Menge an Texten zu einem Thema ist so auf einen Blick erkennbar und als Ensemble sieht es einfach gut aus. Scheinbar chaotisch und trotzdem als Textgestalt ein harmonisches Ganzes.

Wolke. Die Wolke, die ich formen soll, um meine 100 Tonnen Wasser in die Luft zu befördern. Die ist mir sofort wieder eingefallen, als ich das gesehen habe: Cloud. – Seit ich diesen Blog schreibe, verfolge ich die Idee, dass es innerhalb des Blogs einen Roman geben soll – nicht erfunden, non-fiction novel, Tatsachenroman. Roman meines Lebens. Es hat im Blog immer wieder Postings gegeben, die daraufhin geschrieben waren. Es wird auch bestimmt demnächst das Stichwort Roman im Index auftauchen und in der Abfolge der Texte wird erkennbar sein, woran der Romanplan bisher gescheitert ist. Es gibt keine Continuity, wie es beim Filmemachen heißt. Der Zusammenhang der Texte ist mein Leben, habe ich mir immer gedacht. Aber das hat nicht gereicht. Es kam kein Fluss zustande. Es gab immer nur neue Ansätze und die Behauptung, das ist jetzt der Roman oder es ist wie ein Roman. Am ehesten Roman war noch meine Geschichte der unerfüllten Liebe zur schönen Unbekannten. Da wussten die Leser auch jederzeit, woran sie waren, wenn sie einen Text dazu lasen: Er kriegt sie nicht, er wird sie nie kriegen. Wann kapiert er es endlich, wird er es je kapieren? – Die Frage ist bis heute nicht beantwortet. Viele Leser fanden das spannend, viele andere nicht. Der Liebesroman hat sich von selbst geschrieben. Continuity war die Stagnation, die ständige Unerfülltheit bei all den wechselnden Erregungen und Aufregungen. Es gab ein Kompositionsprinzip. Und  komponiert habe nicht ich, das hat die schöne Unbekannte gemacht. Mal weniger, mal mehr entrückt. Inzwischen ganz. Und ich will gar nicht wissen wohin entrückt und was sie dort macht und fühlt und sich denkt dabei. Jetzt muss ich den Roman selbst komponieren, wenn es einen geben soll. Roman nicht mehr meiner unerfüllten Liebe, die bleibt unerfüllt, da gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Die Unerfülltheit ist das Hintergrundrauschen, aber der Roman soll mehr sein, Roman meines ganzen Lebens. 100 Tonnen Wasser formen zu einer Wolke. Das ist die Aufgabe. Und jetzt zur Erleichterung aller Leser, die bis hier durchgehalten haben: das Cloud-Tool zum Erstellen eines Blog-Index, zum Arrangieren von Lektüre-Passagen, das könnte ich verwenden, um einen Roman zu bauen aus den täglichen Postings dieses Blogs. Wenn es gelingt, wird es unter dem Cloud-Verzeichnis, das da am rechten Rand steht, unter dem Inhaltsverzeichnis für die bisherigen Posts, eine zweite Wolke geben und die zweite Wolke wird die äußere Form des Romans sein. Das alles ist sehr abstrakt und mir selbst noch nicht ganz klar. Aber das ist mir gerade völlig egal in meiner Euphorie über diese Entdeckung. Gemacht, als ich diesen Text entworfen habe, um auf das Inhaltsverzeichnis hinzuweisen: die Wolke.