Montag, 17. Oktober 2011

Frühschwimmen

Mir gegenüber stehen fünf junge Männer und duschen, ohne ihre Badehosen auszuziehen. Die Badehosen sind grotesk schmale Badehosen, die Sportkleidung von Wasserballspielern. Die Wasserballer haben trainiert zwischen 7 und 8 Uhr im abgegrenzten hinteren Teil des Schwimmbeckens des Hallenbads am Sachsendamm. Einer wäscht sein Genital in der Badehose. Es wird von Mathematik geredet. Sind sie alle noch Schüler oder nur einer von ihnen?  Ein anderer nimmt jetzt sein Genital aus der Badehose, schwenkt es auf und ab und hantiert so übertrieben lange daran herum, dass es mit Waschen nichts mehr zu tun hat und ich mir das nur so erklären kann: er hat bemerkt, wie ich die Verschämtheit seiner Sportskameraden beobachtet habe und will mir nun das Gegenteil beweisen. Anschließend kriege ich noch mit, wie sich einer der Wasserballspieler anzieht, weil er das im gleichen Kabinengang tut wie ich. Er ist ein dicklicher, aber nicht fetter junger Mann, der drei verschiedene Kosmetikprodukte benutzt, eines in einer Dose, zwei in Plastikflaschen, eines stark riechend, aber nicht unangenehm. Er hat einen kleinen Föhn dabei, doch er geht dann kurz weg, um einen Haubenföhn zu benutzen. Als er zurück kommt, hat er seidiges, welliges Haar und sieht sehr gepflegt aus. Er zieht ein blau-weiß-gestreiftes Hemd mit Kragen an und legt ein dunkles Sakko bereit, das er darüber tragen wird. Aus dem benachbarten Kabinengang fragt ihn einer: Was arbeitest du eigentlich zur Zeit? Er gibt darauf eine Antwort, die ich nicht verstehe. Es könnte sein, dass er irgendetwas Organisatorisches im Filmgeschäft macht. Einer der Sportskameraden im benachbarten Kabinengang will wissen, ob jemand mit ihm zum S-Bahnhof Schöneberg geht. Und wenn ich mich nicht entschließen sollte, montags nicht mehr ins Hallenbad am Sachsendamm zu gehen, dann werden die jungen Männer in den nächsten Wochen zu alten Bekannten und bestimmt kriege ich dann auch raus, was der sehr gepflegte junge Mann beruflich macht, obwohl es mich gar nicht interessiert und es mir lieber wäre, ich hätte ihn nie kennengelernt. Denn erst haben wir unseren Augen nicht getraut, als die fünf Wasserballer um kurz vor 7 Uhr anrückten und ein Wasserballtor im hinteren Teil des Beckens aufstellten, um gleich darauf mit dem Training zu beginnen. Mit der Folge, dass uns Frühschwimmern nur noch der vordere Teil des Beckens blieb und es dort zu einem Gedränge kam, wie es das von heute an jeden Montag geben wird, weil im anderen Teil des Beckens die fünf Wasserballer trainieren; vielleicht waren es auch sechs. Darüber konnte selbst der so gelassene ältere sächsische Herr nur den Kopf schütteln, wie schlecht sie uns Frühschwimmer behandeln in diesem Hallenbad, indem sie in den gerade mal zwei Stunden, die sie uns gewähren, nun auch noch montags die Nutzung des Beckens beschränken. Und am Donnerstag kommt der Typ mit dem Megaphon, der mit seinem Schwimmkurs fünf Bahnen belegt, freitags gibt es kein Frühschwimmen und samstags nur, wenn an dem Tag kein Wasserballspiel stattfindet. Die jungen Männer mit den schmalen Badehosen können dafür natürlich nichts, aber vielen Frühschwimmern ist es heute Morgen schwer gefallen, sie mit Sympathie zu betrachten.

Sport- und Lehrschwimmhalle Schöneberg
Öffnungszeiten
Mo  6.00 -   8.00
Di   6.00  -  7.45  
Mi  6.00  -  7.45
Do  6.00  -  8.00
Fr  Kein öffentlicher Betrieb
Sa   7.00  - 12.00
So  Kein öffentlicher Betrieb
Sachsendamm 11
10829 Berlin
780 98 30