Donnerstag, 17. November 2011

Harmlos

Zu Brigitte in ihre Galerie aus dem einzigen Grund: Wie guckt sie, wenn ich zur Tür herein komme? – Freundlich. Allerdings war sie schon erfreuter, mich zu sehen. Oder bilde ich mir das nur ein? - Ja, sie hat meinen Text über sie gelesen. Ein Mal. Sie muss ihn noch mal lesen, meint sie. Nur das kann sie jetzt schon sagen: es sei schon sehr persönlich, was ich da geschrieben habe über sie. – So schreibe ich nun mal, anders interessiert es mich nicht, anders ist es so, wie es in den Zeitungen steht, und Zeitungen sind eine sterbende Branche. – Na, so ist es nun aber auch wieder nicht, protestiert Brigitte und nicht an dem Widerspruch, an ihrem Ton erkenne ich, dass das nicht nur so ein Obenhingerede ist, dass sie den Text zu persönlich findet. Da hilft auch nicht, dass ich nun werbe für meine Schreibweise: Es kommt doch auf das Wie an des Persönlichen und meine persönliche Art, sie zu porträtieren, die sei doch voller Respekt und Sympathie. Voller befriedigter Neugier, hätte ich auch noch sagen können. Ich lasse das weg, denn zu viel Neugier findet sie bestimmt auch nicht gut. Jedenfalls hofft sie, auch wenn es ihr leid tut für mich und meinen Blog: dass nicht so viele Leute das lesen werden. – Ich: So viele Leser wie die Bunte habe ich nicht. – Sie: Die habe ich vorhin im Café gelesen. – Womit sie schon wieder etwas Persönliches preisgegeben hat. Und davor wollte sie sich eigentlich in meiner Anwesenheit künftig hüten, hatte sie eben noch gesagt. Das wirst du nicht schaffen, habe ich darauf geantwortet. Und so war es auch. Sie hat mir nämlich dann noch erzählt, warum sie die Bunte lesend in einem Café gesessen hat: eine persönliche und alltagskulturell interessante Geschichte. So geschwollen und allgemein drücke ich mich aus, weil ich nicht mal andeutungsweise zu erkennen geben will, was für ein alltagskulturelles Ereignis Brigitte in das Café geführt hat. Darum hat sie mich nämlich ausdrücklich gebeten, darüber nicht zu schreiben, nachdem sie gemerkt hatte, dass sie schon wieder auf meine harmlose biedermännische Masche reingefallen war, mit der ich da sitze und ihre Bionade schlürfe, dazu die von ihr gereichten Mini-Negerküsse in mich hineinstopfe und mir währenddessen jedes Wort genau merke. Daran, wie grimmig ernst es ihr war mit ihrer Bitte, über den Grund ihres Café-Aufenthalts Stillschweigen zu bewahren, daran konnte ich noch einmal deutlich erkennen, wie sehr ihr die persönliche Darstellungsweise in meinem Porträt missfallen hat. Ob ein zweites Lesen daran etwas ändern wird? Ich habe ihr noch gesagt, dass sich ihre Einschätzung des Textes wahrscheinlich ändern wird, wenn ihr nahe stehende Personen sich lobend über das Bild äußern, das sie darin abgibt. Dazu habe ich ihr noch erzählt, wie es mit einem meiner anderen Porträt-Opfer gelaufen ist. Einem Mann, der erst ganz unglücklich und erbost war über meinen persönlichen Schreibstil. Dann hat er den Text seiner älteren Schwester zu lesen gegeben, einer Lehrerin, und die fand, dass er sich freuen sollte, dass so eine lebendige Darstellung von ihm nun im Internet steht. Wenig später hat auch noch ein mit ihm befreundeter Journalist aus Leipzig ihm zu dem Text gratuliert und seither umarmt er mich bei der Begrüßung. Brigitte lacht. Dennoch spricht sie noch einmal die Hoffnung aus, dass mein Blog nicht so viele Leser hat (auch wenn es ihr für mich leid tut). Ich verzichte auf eine persönliche Frage, die ich ihr stellen wollte; eine Frage, bei der es mehr um mich als um sie ging. Und nachdem ich mir das alles beim Aufschreiben noch einmal durch den Kopf habe gehen lassen: die völlige Harmlosigkeit des Persönlichen in meinem Text über sie, die Gewissenhaftigkeit, mit der ich ausgewählt habe, was ich erwähne, was ich weglasse, den Aufwand, den ich insgesamt getrieben habe, und dagegen nun nichts als Empfindlichkeit, Mäkelei, kein einziges gutes Wort, statt dessen sogar die Drohung, ich solle mal bloß aufpassen, es gäbe schließlich auch noch so etwas wie ein Persönlichkeitsschutzrecht - nach all dem denke ich mir, es gibt keinen Grund, Brigitte zu grollen. Denn es ist genau so, wie ich es am Ende des bemäkelten Textes beschrieben habe: Es hakt ständig zwischen Brigitte und mir. Aber es kommt immer etwas dabei heraus. Bin mal gespannt, was jetzt dabei herauskommt. Außerdem würde mich wirklich mal interessieren, was Leute sich davon versprechen, dass die anderen nichts von ihnen wissen.