Dienstag, 15. November 2011

Vodafone

Telefonieren mit der Ex-Freundin, die in München lebt. Dreimal Unterbrechungen, weil sie mit der S-Bahn durch Funklöcher fährt. Beim Umsteigen muss sie rennen, um die U-Bahn noch zu erwischen, und als sie fast schon zu Hause ist und nun zu Fuß unterwegs, schaut sie bei ihrer Friseuse vorbei, um einen Termin zu machen für sich und, weil sie schon mal da ist, auch gleich noch für ihren Mann und die zwei Kinder. Diese Szene ist mir dann doch etwas zu breit angelegt dafür, dass sie mich am Telefon hat. Gut allerdings ein Satz, den sie im Gespräch mit ihrer Friseuse zitiert, als sie erst über ihre Tochter spricht und dann über die Karte, die ihre Mutter, also die Großmutter ihrer Enkelin geschenkt hat. Auf der Karte steht: Egal, was dein Pappi dir sagt, du bist keine Prinzessin. – Währenddessen bin ich zuerst bei Aldi, danach bei Reichelt und so verbittert, dass ich mich selbst verblüffe: Ach! So ist es also, wenn ich mit einer vertrauten Person über mein Leben rede. Würde ich mich mit einem solchen Sarkasmus hier äußern, liefen mir die Leser scharenweise weg. Deswegen lieber keine Zitate. Nachdem die Friseurtermine stehen, nur ganz kurz noch, Stephanie: Ich habe inzwischen The Tree of Life gesehen. Ist im Grunde genommen die Hiob-Geschichte, die der Film erzählt, behaupte ich und wir reden darüber. Dabei gehe ich zwischen der Tiefkühlkost-Abteilung und dem Süßwarensortiment hin und her. Dort hockt eine Aushilfe auf dem Boden und sortiert Waren ein. Am Ende des Gangs zwischen den Regalen sitzt ein Mann Anfang 60 in seinem Rollstuhl und hat schon zum dritten Mal ganz freundlich Hallo gerufen. Die Frau auf dem Boden, die zu verwaschenen schwarzen Jeans ein schwarzes Polohemd mit Reichelt-Logo trägt, reagiert nicht. Ich stehe hinter ihr und unterbreche den Dialog mit Stephanie: Da vorne, der Mann, der will was von Ihnen, sage ich zu der Frau. – Sie antwortet: Auf Hallo reagiere ich nicht. – Darauf sagt der Mann im Rollstuhl etwas zu seiner Rechtfertigung und ich wende mich ganz schnell ab und gehe zu den Tiefkühltruhen, weil ich in einer zu guten Position war, um der am Boden hockenden Frau in ihren dürren Hintern zu treten. Das erzähle ich nun Stephanie, um ihr zu erklären, warum ich eben abgelenkt war. Dabei werde ich noch wütender auf die Frau und muss Stephanie für meine Ausdrucksweise um Entschuldigung bitten. Wir telefonieren weiter, aber nun nervt es nur noch, weil ich jetzt an der Kasse stehe, dicht vor mir eine ältere Frau, dicht hinter mir ein junger Mann und ich will nicht, dass die beiden sich anhören müssen, wie ich das sehe mit dem Malick-Film: dass er auf den Schöpfungsbombast am Anfang und das Salzsee-Totenreich am Ende auch hätte verzichten können, so wie man im Original der Hiob-Geschichte auch den Gott und den Teufel hätte weglassen können, weil man die nicht braucht, um zu zeigen, dass es Unglück gibt – und nichts, das dagegen hilft. Das wollte ich sagen. Also nichts Wichtiges, nichts, was nicht schon längst bekannt wäre. Deshalb habe ich mich nun - etwas abrupt - von Stephanie verabschiedet. Mit der Begründung, dass ich die Leute um mich herum nicht belästigen will. Aber weder die Frau vor mir noch der Mann hinter mir haben mir dankbar zugelächelt.