Donnerstag, 15. Dezember 2011

Torso

Gegen Trübsinn und Lähmung helfen lange Gänge durch die Stadt. Ich muss mich erst wieder an die langen Gänge gewöhnen. – Quatsch! Damals wollte ich nachdenken. Jetzt will ich aufhören damit.

Wer oder was ist das Biest im Unterschied zu mir? – Das Biest ist eine Kreatur, die entsteht beim Schreiben zwischen 16 und 18 Uhr. Die Zeitangabe 16 und 18 Uhr ist keine Bemühung um Originalität. Es ist tatsächlich so. Zwischen 11 und 13 Uhr zum Beispiel, einer anderen Schreibzeit von mir, entsteht die Kreatur nicht. Der Trübsinn und die Lähmung kommen auch daher, dass die Kreatur schon seit Tagen nicht zu ihrer Zeit zwischen 16 und 18 Uhr entsteht - oder erscheint, was nicht so künstlich klingt, doch dafür nun wieder so geheimnisvoll, wie es nicht ist. Es gibt kein Geheimnis um das Biest. 

Auf der Carl-Zuckmayer-Brücke sitzt ein Fahrradkurier auf einer Bank und ruht sich aus. Neben sich sein schönes Rennrad (beige), in der Hand ein Smartphone, an dem er herumspielt, oder vielleicht auch, wie täglich in seiner Mittagspause, ein Kapitel Krieg und Frieden liest und dabei sein iPhone oder Samsung Galaxy als Reader benutzt. Statt auf den Mann zu zu gehen und ihn zu fragen, ob ich ihn fotografieren darf, überlege ich im Weitergehen, ob ich umkehren und ihn fragen soll, ob ich ihn fotografieren darf. Womit schon klar ist, dass ich es nicht tun werde und einen Grund finde ich auch gleich: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Mann so antwortet auf meine Frage, wie Fahrradkuriere Fahrrad fahren, ist so groß, dass ich es lieber sein lasse, da ich nicht diesen Dialog haben will, zu dem es kommen wird, wenn er in seiner rücksichtslosen, widerborstigen Art mir meinen Wunsch verwehrt und ich das hinnehme, aber nicht ohne einen bissigen Kommentar. Mit dieser Bissigkeit komme ich mir inzwischen als ein solches Klischee meiner selbst vor, dass ich es nicht mehr ertrage und es gut sein kann, dass ich Szenen, in denen mir Nein gesagt wird, ab jetzt strikt vermeide, um das Klischee zu vermeiden. Allerdings kann ich das Fotografieren von Leuten auf der Straße dann vergessen. Oder ich fotografiere sie aus so großer Distanz, dass ich es auch lassen kann.  


Und heute Abend zur Ausstellungseröffnung in den KunstRaum Ko, wo Rena Lux, Sabine Baer, Shaktil und Rolf Sellmann (das Team vom "KunstRaum Ko") neue Arbeiten zeigen. Die im Vorbeigehen gesehene kleine Plastik ist sicher von Rena Lux, der Bildhauerin im Team.