Sonntag, 25. März 2012

Gestrickt

Noch vom Freitag von der Pohlstraße. 


Sie schaut sich das Video Return of the pyramid piece an. Von Andy Holden. Aus dem Jahr 2008. 6.10 min, colour, sound. Screening nicht sichtbar. Der Gegenstand, vor dem die Frau steht, ist das Pyramid Piece. 


Pyramid Piece ist auch von Andy Holden. Innen Draht, außen gestrickt: Knitted Yarns with wire frame. Scale Model 1:100, 50 x 40 x 30 cm. Was wir sehen, ist also eine maßstabgetreue Nachbildung eines Original-Pyramidenstücks. Wie alles andere in der Galerie von Tanja Wagner sieht das Pyramid Piece sehr gut aus. Es ist ein anderes Genre von Gutaussehen als vorne in der Pohlstraße 67 bei Henry Anno. Ich habe noch andere Fotos, die das illustrieren. Die zeige ich, wenn ich mit Tanja Wagner gesprochen habe über ihre Ausstellung Discussing Metamodernism (noch bis 21. April) und die Kontinuität eines ganz bestimmten Gutaussehens in ihrer Galerie (Pohlstraße 64).


Hier ist die Frau, die zuvor das Video angeschaut hat, schon wieder. Sie ist mir vorausgegangen den kurzen Weg schräg über die Straße und sie kann sich  nicht beklagen darüber, dass ich sie ausbeute. Was ich mir visuell von ihr nehme, kriegt sie szenisch von mir zurück. Denn kurz nach diesem Schnappschuss betrete ich die Galerie, überfliege die ausliegenden Drucksachen, kriege mit, dass der Galerist Dipl. Ing. ist, denke Oh je! und da steht in dem Türrahmen, durch den ich eben noch die junge Frau habe huschen sehen, auch schon der Galerist und Diplom-Ingenieur, wenn ich das richtig verstehe, dass der Galerist Diplom-Ingenieur ist und der junge, sympathische junge Mann der Galerist. – Darf ich hier fotografieren? frage ich. – Die Räume ja gerne, aber nicht die ausgestellten Werke. – Ich kürze ab, was nun passiert. Er erklärt, dass er mir die Fotografier-Erlaubnis für die Werke nicht geben kann, das könnten nur die Künstler selbst. Dipl. Ing.! Und ich, wenn ich es könnte, mich zu bremsen, ich würde es tun. So aber bin ich so fassungslos über meinen Wutanfall wie die junge Frau, die mich anschaut, als wäre das die erste hässliche Szene, die sie beobachtet in ihrem Leben. Doch statt mich zu schämen, mache ich nun etwas, was ich gut finde. Während ich meine Kamera einstecke, sage ich zum Galeristen, der eben sein Angebot, den Raum zu fotografieren wiederholt hat: Nein, dann mache ich überhaupt keine Fotos, sage ich und im Hinausgehen füge ich hinzu, nach der Melodie von Ätsch bätsch: Keine Publizität durch mich für Ihre Galerie! Keine Hand wäscht die andere! – Klar, das ist kindisch. Doch statt anzugreifen oder mich zu beklagen, erkläre ich mich. Ich bin auf der Ebene des Diplom-Ingenieurs und mein Lebensgefühl ist trotzdem gut.

Ich sollte mich mehr erklären, denke ich seitdem. 

Kunst: ã Andy Holden
Fotos: ã w.g.