Montag, 7. Mai 2012

Partygeplauder 2

Zwei, die ich zusammenbringen wollte, damit ich ihnen zuhören kann. Beide haben sie in der Modeindustrie Karriere gemacht, sind ausgestiegen, haben sich für den Weg des Künstlers entschieden. Er schon weiter als sie, fünf Jahre jünger als er, Mutter einer Tochter, einen Mann dazu gibt es. Art Cologne, Besuch bei ihrer Mutter und was weiß ich nicht alles – zwei Wochen lang haben wir es nicht geschafft, eine Verabredung hinzukriegen. Sie konnte immer nur an den Tagen, als ich nicht konnte. Fiel mir auf, sollte mir dann aber egal sein, weil ich will nicht schlecht über sie denken. Dann war die Ausstellung vorbei von ihm, mit dem ich sie bekannt machen wollte. Ein andermal. Nie. Samstag. Partygeplauder. Der Dialog assoziativ, schnell, perlt, obwohl wir in allem anderer Ansicht sind, aber so geht es auch. Schließlich kommen wir auf den Kollegen, der Fashion Designer war wie sie und jetzt Kunst macht wie sie, aber kein regelmäßiges Einkommen hat und weißt du, was der macht? – Sag! – Fensterputzen. – Stark! – Wieso findet die das jetzt stark? denke ich und da sagt sie: Straßenbahnfahren! – Wie? – Straßenbahnen fahren. Das ist es, was sie gerne machen würde. – Hä? Was erzählt sie da? – Sie erzählt mit großen Kinderaugen, dass sie vor kurzem eine Fahrschule gesehen hat: Straßenbahnfahrschule. Und wie gerne hätte sie da selbst vorne gesessen in dieser Straßenbahn als Fahrschülerin. – Ich kapiere jetzt, dass das mit dem Straßenbahnfahren so eine Luxusphantasie ist von ihr. Und später werde ich denken, dass sie wohl zu lange in New York gelebt hat, um sich brav in das harte Schicksal des Kollegen einzufühlen. Jetzt möchte ich nur sichergehen, dass sie verstanden hat, dass der Kollege das nicht macht zur Abwechslung, sondern weil er das Geld braucht, und dass er es mir auch nur hinter vorgehaltener Hand erzählt hat, dass er an dem neuen Hotel Nähe Zoo (Waldorf Astoria) die Fenster putzt, jetzt schon zum zweiten Mal, seit das Gebäude da steht. – Sie hat es verstanden. Sie hat auch keine Rücklagen. Sie leben zur Zeit vom Geld ihres Mannes, erklärt sie auf meine Nachfrage und muss nun ganz dringend los zum Flughafen. Als sie das mit dem Flughafen sagt, denke ich sofort, dass das ein Dreh von ihr ist, um frühzeitig von der Party wegzukommen, bei der sie nur aus Höflichkeit mal vorbeigeschaut hat, und dann nichts wie nach Hause zu Mann und Kind und Hurrah! Ich kann sie mir nicht anders vorstellen als durchtrieben, versteckt und tricky und zugleich will ich nicht schlecht über sie denken. Ein Ausdruck von Sympathie: nicht schlecht über jemanden denken wollen. Ich empfinde große Sympathie für sie.