Dienstag, 31. Juli 2012

Kriminelles Element



Der gehackte Router. Zu resetten, aber so manipuliert, dass er nicht mehr neu konfigurierbar ist. Die Frau im Telekomladen in der Bundesallee fragt mich, ob ich schon den Stecker gezogen hätte. Ich antworte, dass ich momentan doch sowieso keinen Zugang zum Internet habe. Sie: Ich meine den Stromstecker. - Rätselhafte Aussage, über die ich lieber nicht nachdenke, obwohl sich mit ihr viel Rätselhaftes aus den letzten Jahren erklären ließe.

Keine Post von der Farm der Tiere. War eine blöde Idee. Und die Geschichte von den Hunden Capo (Kopf) und Codo (Schwanz) und dem jungen Schwein, das mit ihnen zusammengelebt und sich verhalten hat wie ein Hund, die habe ich, glaube ich, ohnehin schon einmal erzählt im Blog.  

Den Blog schreibe ich weiter, obwohl ich kein gutes Gefühl dabei habe. Es ist wie  in einer Wohnung zu leben, in die eingebrochen worden ist, und weil die Diebe nichts gefunden haben, das ihnen wert war, es zu stehlen, haben sie aus Verärgerung einen dicken Scheißhaufen in die Mitte des Wohnzimmers gesetzt (*). Wobei der Vergleich insofern nicht ganz zutreffend ist, als die Einbrecher in meinem Fall sich immer noch bei mir rumtreiben, da sie mein Google-Passwort haben. - Und warum änderst du es dann nicht? - Weil sie es mitkriegen, wenn ich das tue. 

(*) Das ist tatsächlich ein Brauch bei professionellen Wohnungseinbrechern. Deshalb wird empfohlen, immer mindestens einen 50-Euro-Schein offen herumliegen zu lassen. um zu verhindern, dass die Diebe einem in die Wohnung scheißen, wenn sie nichts zum Mitnehmen finden. 

Montag, 30. Juli 2012

Gepäckaufbewahrung




Das Foto ist von Sonntag 18:22, Bahnhof Zoo. Den nachgetragenen Blogeintrag von gestern und dieses Posting habe ich editiert an zwei Riesenbildschirmen im Büro eines Nachbarn, bei dem ich auch morgen unterschlüpfen kann. Morgen gibt es Post von der Farm der Tiere. Vielleicht. Alles ist möglich. Auch dass es hier bald vorbei ist. - Melodramatisch? - Ich denke seit heute Früh darüber nach. Es wäre der größtmögliche Befreiungsschlag.

Sonntag, 29. Juli 2012

Verhunzt





Ab Montag hat die Bibliothek in der Hauptstraße für vier Wochen geschlossen. 





Den Text Zwangspause, der ursprünglich hier stand, archiviere ich in Das innere Biest. Statt Zwangspause Notpgrogramm mit Fotos. Die sind nicht so leicht zu verhunzen.

Samstag, 28. Juli 2012

Nazi-Jojo


Stadtbibliothek. Wie an jedem Tag seit Dienstag bin ich hier, um meinen Blog zu bearbeiten, und heute hat einer der Hacker offenbar frei und damit Zeit, um mit mir Jojo zu spielen. Wie kann er das? Er hat mein Google-Passwort, das auch das Passwort meines Blog-Hosts ist. Und während ich hier eingeloggt bin in die Benutzeroberfläche, ist er es auch und kann mit mir Jojo spielen.

Ich will das Posting von gestern bearbeiten und es geht um die Stelle:
Louis-Ferdinand Céline war ein Antisemit und hat mit den Nazis kollaboriert, aber mit Reise ans Ende der Nacht  einen der wichtigsten Romane des 20. Jahrhunderts geschrieben, sage ich. Und Emil Nolde wollte ein Nazi sein und dann haben die Nazis seine Kunst als entartet verboten ... 

Eben war noch alles da: die Nazis, mit denen Céline kollaboriert hat. Der Nazi, der Nolde sein wollte und die Nazis, die seine Kunst als entartet verboten haben. Dann setze ich unten die ©-Zeichen ein, die gestern nicht richtig wiedergegeben worden sind, drücke die Veröffentlichen-Taste und von den Nazis Célines ist auf einmal nur noch ein s übrig, vom Nazi, der Nolde sein wollte, gar nichts mehr und von den Nazis, die seine Kunst verboten haben ist wiederum nur ein s übrig:
Louis-Ferdinand Céline war ein Antisemit und hat mit den s kollaboriert, aber mit Reise ans Ende der Nacht  einen der wichtigsten Romane des 20. Jahrhunderts geschrieben, sage ich. Und Emil Nolde wollte ein sein und dann haben die s seine Kunst als entartet verboten ... 
Ich korrigiere das, gebe wieder den Veröffentlichen-Befehl ein und sehe darauf in der Blog-Anzeige wieder die gleichen Auslassungen. Ich wiederhole den Vorgang, mit dem gleichen Ergebnis. Ich schreibe diesen Blogeintrag. Danach werde ich noch einen Versuch machen, die Auslassungen zu korrigieren. Misslingt er, weil der Hacker es will, lasse ich es stehen, wie es ist. Der gerade an dieser Stelle (was Angela über Nolde sagt) so interessante Text ist damit verhunzt. Es ist nicht das erste Mal, dass der  Hacker (der von beiden, der der Mann ist) etwas Gelungenes zu verhunzen versucht. Schwer, den Mann nicht als Arschloch zu bezeichnen. Aber den Blogeintrag nenne ich Nazi-Jojo.

Freitag, 27. Juli 2012

Würdest du bitte endlich still sein, bitte



Vernissage in der Galerie Born. Gruppenausstellung: Armdrücken in trostloser Landschaft.


Sind Sie die Künstlerin, die dieses Bild gemalt hat?
Ja. Aber es ist kein Schachbrettmuster.
Ich weiß. Es geht um das Zusammenspiel der Farben?
Es geht um das Sehen. Sehen zu lernen. Sehen muss man nämlich lernen.
Ich weiß.


Von Angela Dwyer hängen fünf Bilder in der Ausstellung.


Das Bild, das kein Schachbrettmuster zeigt, war meine Wahl beim Spiel: Welches Bild in dieser Ausstellung würde ich kaufen, wenn ich kaufen könnte? Aber da hatte ich noch nicht das Bild mit dem Titel Sung gesehen.


Sung wie gesungen.
Und das Bild zeigt das Fließen der Töne?
Nein, es zeigt, was gewesen sein könnte.


Und das? - Noch bevor ich lettristisch sagen kann, sagt Angela: Worte sind wie Farben. Womit sie meint, dass sie mit Worten gemalt hat bei diesem Bild. Aber das ist nicht das, was ich sehe: eine Montage aus deutschen und englischen Texten. Hast du hier mit dem Verfahren gearbeitet, das Burroughs Cut-up (*) genannt hat? - Angela strahlt und erzählt dann, dass Burroughs viel von T. S. Eliot übernommen hat und beide hätten sie viel von Ezra Pound übernommen. Ich sage, von Ezra Pound kenne ich nichts, ich weiß nur, dass er ein Faschist war. Aber kein richtiger, sagt Angela. Er hat mit Mussolini sympathisiert, doch Ezra Pound war kein Antisemit. Louis-Ferdinand Céline war ein Antisemit und hat mit den Nazis kollaboriert, aber mit Reise ans Ende der Nacht  einen der wichtigsten Romane des 20. Jahrhunderts geschrieben, sage ich. Und Emil Nolde wollte ein Nazi sein und dann haben die Nazis seine Kunst als entartet verboten, erzählt Angela und da entdecke ich auf einmal in der Montage einen Satz: Würdest du bitte endlich still sein, bitte. - Hey, das ist Raymond Carver, sage ich und jetzt strahlen wir beide und sagen uns den Satz zusammen vor, diesen einfachen Satz mit der schönen Eindringlichkeit, die er bekommt durch die Wiederholung des bitte am Ende.



(*) zufallsgenerierte Montage, bei der beschriebene Seiten der Länge nach durchgeschnitten und die Teile darauf in veränderter Reihenfolge zusammengesetzt werden. Die simpelste Form ist, 2 beliebige Seiten eigenen oder fremden Textes senkrecht zu zerschneiden & die 4 Hälften in vertauschter Reihenfolge wieder zusammenzusetzen. Man beginnt nun über die semantischen Bruchstellen hinwegzulesen. - Mehr dazu siehe Wikipedia Cut-up.

Kunst: ©  Angela Dwyer
Fotos: © w.g.

Donnerstag, 26. Juli 2012

Fernöstlich


Es geht gar nicht um mich. Es ist nie um mich gegangen. Das erkläre ich in den nächsten Tagen. Heute wollte ich mal eine Pause machen von der Scheißgeschichte und Fotos zeigen. Doch der Frau, die aus dem Land ihrer Herkunft noch eine ganz andere Hitze kennt, der ist es heute zu warm, um fotografiert zu werden. Jedes Mal fällt ihr etwas anderes ein, weshalb es nicht geht, und mir wird nun klar, dass das ihre fernöstliche Art ist, nein zu sagen. Also kein Foto von Hang und von Tui auch keins. Den spreche ich  danach an und er ist schon so europäisiert, dass er gleich lachend nein sagt und sich auch bestimmt nicht gewundert hat, als ich mich mit einer unflätigen Verwünschung verabschiedet habe.

Mittwoch, 25. Juli 2012

Datenkorruption


Das alte Notebook von Bernd ist angekommen in meiner gestörten Welt. Gestern hat es zuverlässig alles gemacht, was ich wollte. Heute komme ich nicht mehr ins Internet, und wenn ich Word starte, werden gleich drei Fesnster geöffnet und in einem von ihnen erscheint die Meldung: Datenkorruption. Es drohe der Verlust meiner Daten. Ob ich wenigstens einen Teil davon retten will? Ich schließe diese Datei, in die ich noch gar keine Daten eingegeben habe. Datenkorruption ist gut. Sehe ich zum ersten Mal das Wort und die Fehlermeldung. Dass drei Dateien geöffnet werden beim Starten von Word habe ich auch noch nicht erlebt. Dass zwei Fenster aufgehen beim Start, das ist mir allerdings bekannt. Daran habe ich in der Vergangenheit jedes Mal bemerkt, dass einer der beiden Hacker zugeschaltet ist. Zur Erinnerung: Die beiden, eine Frau und ein Mann. Dass die Frau bei mir eingehackt war, hat mir lange Zeit gefallen, weil mir alles an ihr gefallen hat und weil es doch auch schmeichelhaft ist, dass sich eine junge Frau so sehr interessiert für mich, dass sie in meinen Rechner eindringt. Nur Türeintreten vor Interesse oder Begehren wäre noch eins drüber gewesen, habe ich gedacht und in meiner Selbstgefälligkeit missverstanden, was tatsächlich vorgeht. Jetzt weiß ich es besser. Es geht gar nicht um mich. Es ist nie um mich gegangen.

Von wegen nur Türeintreten wäre noch eins drüber. Anruf eines Freundes. Er hat nachgedacht: Vielleicht hat sie sich bedrängt gefühlt von deinem Interesse an ihr und vielleicht ist sie da ja vorbelastet und besonders empfindlich, könnte er sich vorstellen. – Und warum hackt sie sich dann bei mir ein? – Na, um dich spüren zu lassen, wie das ist, von jemandem anderen so in die Enge getrieben zu werden. – Nachdem sie  meine Aufdringlichkeit erlebt hat, erteilt sie mir nun schon im vierten Jahr diese Lektion? – Könnte doch sein. – Ja, aber nur dann, wenn ich aufdringlich gewesen wäre. Es ist eine der Pointen meiner Contessa-Geschichte und ein Grund für ihren grotesken Verlauf, dass ich das Gegenteil von aufdringlich war. So richtig überzeugt den Freund das nicht und ich erkenne, dass er nicht als Einziger so denken wird. Das muss ich berücksichtigen, wenn ich die tatsächliche und ganze Geschichte erzähle. 

Dass ich das Gegenteil von aufdringlich war, habe ich an zwei Episoden gezeigt, die ich in der Wiedergabe des Gesprächs weggelassen habe. Die zwei Episoden sind nachzulesen in Brief 1, 2, 3. Im Grunde genommen geht es in dem ganzen Brief nur um meine mangelnde Aufdringlichkeit.

Dienstag, 24. Juli 2012

Scheißgeschichte


So geht es auch: Ein Programm besorgt, um die Festplatte nach dem Formatieren vollständig zu löschen, mir eine CD zur Neuinstallation des Betriebssystems beschafft (*), mich beim Frühstücken schon darauf gefreut,  gleich  auf dem Sony Laptop format c: einzugeben und es damit von der Schadsoftware zu befreien, mit der sich die Hacker bei mir eingeschlichen haben. Frohgemut den Rechner eingeschaltet – und kein Mucks. Die Einschalttaste rastet nicht ein. Schalter kaputt? Rechner kaputt? Was weiß ich. Rechner tot, damit allerdings auch dem Zugriff der Hacker entzogen. So weit bin ich inzwischen: Alles ist gut, was mich befreit von der ekligen Übergriffigkeit der beiden Hacker, mit der ich es so lange nun schon zu tun habe und – mein schwerer Fehler: zu lange habe ich es hingenommen, was sie getrieben haben auf meinen Rechnern, keinen Schaden angerichtet, nur genervt und gepiesackt haben sie mich wie Kinder, die einem alten Mann Streiche spielen und ihren Spaß haben sie daran, wie er sich ärgert, und irgendwann werden sie schon genug davon haben. So habe ich es gesehen. Aber so ist es nicht gekommen. Sie hören einfach nicht auf. 

Zwei Hacker: Eine Frau, sie seit mehr als drei Jahren eingehackt, wahrscheinlich seit viel mehr als drei Jahren. Ein Mann, seit etwa zwei Jahren eingehackt. Beide haben unterschiedliche Motive, aber derzeit haben sie ein Ziel: Mich einzuschüchtern. Mich abzubringen von dem Plan, die Geschichte ihres Eingehacktseins und damit zugleich auch die tatsächliche und ganze Geschichte der Contessa zu erzählen. Weil sie ihnen peinlich ist. weil sie nicht so dastehen wollen vor anderen, weil sie von anderen nur so gesehen werden wollen, wie sie selbst sich sehen. Aber statt nun die weiße Fahne zu hissen, sich zurückzuziehen und mir keinen weiteren Stoff mehr zu liefern, drohen sie mir, versuchen sie mich zu nötigen und zu erpressen, demonstrieren sie mir inzwischen nahezu täglich, welchen Schaden sie mir zufügen können: zum Beispiel indem sie mich bei meinem Google-Account, der auch mein Blog-Account ist, abmelden und das Passwort ändern, so dass ich nicht mehr an meinen Blog rankomme. – Und warum schenke ich ihnen dann nicht die Geschichte, warum provoziere ich sie damit? Ist diese Geschichte es denn wert, dass ich damit meinen Blog gefährde? – Antwort: der Blog ist nichts mehr wert, wenn er von der Gnade und der Willkür dieser zwei Leute abhängt.

Das Sony Laptop habe ich zu dem Reparaturladen in der Martin-Luther-Straße gebracht, wo sie zunächst einmal unentgeltlich herausfinden, was defekt ist. Das hier schreibe ich auf einem mehr als zehn Jahre alten Rechner, den mir der gute Bernd (Hallenbad) überlassen hat. Bleibt mein Samsung Laptop, an dem ich jeden Abend meine Blogeinträge editiere. Wie sehr das von den Hackern kontrolliert wird, haben sie mir gestern Abend vorgeführt, als es mir nicht möglich war, auf die Google-Suche zuzugreifen. Ich werde das Samsung erst wieder nutzen, wenn ich gemacht habe, was ich heute mit dem Sony machen wollte: Festplatte vollständig löschen, Betriebssystem neu installieren. Das auch die Bedingung, um von den IT-Experten der Kripo Hilfe zu bekommen. Die Kavallerie reitet erst, wenn ich alles getan habe, um die Hacker loszuwerden, und sie dann immer noch da sind. Das ist es, was man mir gesagt hat letzte Woche. Das ziehe ich jetzt durch. Von mir aus muss die Kavallerie nicht reiten. Zu erzählen, was ich mit den beiden Hackern erlebt habe, davon werde ich mich allerdings nicht abbringen lassen. Es ist eine Scheißgeschichte, es ist keine Freude, sie zu schreiben, ich weiß auch noch gar nicht wie und neulich habe ich mal gedacht, dass ich mir das als Großzügigkeit mir selbst gegenüber gönnen sollte, die Scheiße, die ich erlebt habe, nicht noch einmal zu erleben, indem ich sie mir schreibend vergegenwärtige. Aber vielleicht kann ich die Geschichte so schreiben, dass es am Ende gut war, die Scheiße erlebt zu haben, weil es sonst diese Geschichte nicht gegeben hätte. Die für mich typische überambitionierte Selbstbesprechung. Am Ende mehr hinderlich als hilfreich und auch nicht der Grund, warum ich an dem Plan festhalte. Der Grund ist: wenn die beiden Hacker mit einer solchen Energie mich daran hindern wollen, die Geschichte zu schreiben, kann das nur heißen, dass an dieser Scheißgeschichte etwas dran ist, was auf keinen Fall verschwiegen werden darf. 

(*) Bei der Inbetriebnahme damals versäumt, die empfohlenen Sicherheitskopien der auf der Festplatte installierten System- und Anwendungssoftware zu machen.

Montag, 23. Juli 2012

Annika



Wir haben uns kennengelernt vor dreizehn Jahren, als ich mit ihrer Mutter zusammen war. Im Frühling ist sie 30 geworden. Sie arbeitet bei Bestform. Wir treffen uns in ihrer Mittagspause.


Der Satz beschreibt mich. Das Romantische in mir. Das, was ich in dieser Zeit nicht leben kann. Weil es nicht passt in die Social Media-und-Facebook-Welt.



Demnächst lasse ich mir ein neues Tattoo machen. Aber sag das nicht meiner Mutter.
Wo?
Im Nacken.
Wieder ein Satz? 
Bienvenu dans ma realité.



Sonntag, 22. Juli 2012

Pinselstrich


Nach der goldenen Tür, die mir verschlossen geblieben ist, steht zwei Etagen tiefer diese Tür offen:




Bleiben Sie, gehen Sie nicht weg. Ich freue mich über jeden, der mir ins Bild läuft. Ich kann sie nicht mehr sehen, die menschenleeren Gallery Shots. 



Ich sehe die Kunst, die ich sehen will:


Aber was sehe ich? – Öl auf Papier und die Ölfarben verdünnt mit irgendwas Ayurvedischem. So genau kann der Mann, der mich durch die Ausstellung führt, es mir auch nicht sagen. Jedenfalls wirken die Farben deshalb so verwaschen. Und wenn man genau hinguckt, sieht man, dass das Papier auch schon mal schief geschnitten ist. Da hat Vicky Uslé dann wahrscheinlich ihre Tochter auf dem Arm gehabt, als sie das gemacht hat. Die acht Monate alte Sara ist nämlich immer dabei. Im Atelier, bei der Vernissage, die vorgestern stattfand, und danach im Sale e Tabacchi gegenüber, da war sie auch dabei. Bis Mitternacht. Dann hatte Sara genug und wollte gehen, erzählt der wohltuend gesprächige Galerie-Mitarbeiter.



Der Ansatz ist gestisch. Aber dabei bleibt sie nicht stehen. Sie sucht eine Form. Vorbei an allem Ähnlichen, sich abgrenzend von wiedererkennbaren Formen des Gegenständlichen. Gestisch, ungegenständlich und dennoch figurativ. Freie Figuration, das ist es, was sie macht. Ein Pinselstrich, der gestaltet, wie sie sagt. Vicky Uslé, geboren 1981 in Santander. Sei 20 Jahren lebt sie in New York, unterbrochen von längeren Aufenthalten in Spanien, wie zur Zeit, da sie die Sommermonate in Barcelona verbringt.

Und der Titel der Ausstellung? Woodshedding? – Das ist ein Ausdruck aus dem Jazz und heißt so viel wie: sich zurückziehen, um zu üben. Woodshed = Holzschuppen = ein Ort, wo man hingeht, um ganz für sich zu sein = sich ganz auf seine Kunst und ihre Mittel zu konzentrieren. Ein Pinselstrich, der gestaltet.

Alexander Levy
Rudi-Dutschke-Str. 26
10969 Berlin
info@alexanderlevy.net


Kunst: Ó Vicky Uslé
Fotos: Ó w.g. 

Samstag, 21. Juli 2012

Rudi-Dutschke-Straße


Gegenüber eine Vermögensverwaltung. Auch mit goldener Tür.





Tür geschlossen. Also Anruf. Keiner geht ran. Anklopfen. Jetzt habe ich auch mal an eine goldene Tür geklopft und sie hat sich nicht vor mir geöffnet. Fotos. Zweiter Anruf. Gibt es irgendwo ein verborgenes Kameraauge und ich kann noch so lange anrufen, die lassen mich nicht rein, weil es mir allzu deutlich anzusehen ist, dass ich kein Käufer der ausgestellten Hunde- und-Teppich-Bilder sein werde? Wie kommt der überhaupt hierher? Was will der? – Ich weiß es, aber ich sage es nicht. Ich hätte es auch für mich behalten, wenn sie mir Einlass gewährt hätten. Und dass sie es nicht taten, liegt dann doch nicht an mir, sondern an Auflösungserscheinungen, zu denen es gekommen ist, nachdem am Dienstag wie angekündigt die Eröffnung der Ausstellung von SEO stattgefunden hat, oder sie haben heute nur keine Lust. Das könnte natürlich auch sein, meint der freundliche Mann zwei Etagen tiefer, der mich damit so oder so vom Stigma des Ausgestoßenen befreit. Und kann es nicht auch sein, dass sie innerhalb von drei Tagen alle Bilder verkauft haben, und deshalb verstecken sie sich jetzt hinter der defekten Klingel und der Anweisung mit der Telefonnummer? Weil sie nicht wollen, dass dieser Riesenerfolg publik wird, da es vermutlich schon genug Gerede wegen der goldenen Tür gibt.

Ich habe keine Ahnung vom Kunsthandel. Und ich will auch eine goldene Tür haben.

Dennewitzstraße





Freitag, 20. Juli 2012

Donnerstag, 19. Juli 2012

Spicer


Die Wohnung von Julie August ist jetzt nicht mehr die 18m Galerie, sondern die Wohnung in der Akazienstraße, in der am 18. jeden Monats um 18 Uhr der 18m Salon stattfindet; im August wegen Ferien übrigens nicht. Gestern mit der Vorstellung von Nancy Murphy Spicer und ihren Zeichnungen Biking in Berlin. Hier steht die Geschichte dazu, hier eine Übersicht:


Die Künstlerin: Nancy Murphy Spicer.


US-Amerikanerin, verheiratet, Mutter zweier Töchter, wohnhaft in England, im bei Künstlern sehr beliebten Bath, und hier erzählt Mrs. Spicer, wie sie sich in ihrer Familie als Künstlerin durchgesetzt hat, indem sie ihre innere Stimme laut nach außen hat dringen lassen, und die innere Stimme rief: NEIN! – Nein, ich werde meine Kunst nicht aufgeben, weil der Mann promovieren will und ich mich so lange mehr oder weniger alleine um die Kinder kümmern soll. Das Ganze verziert mit dem Umstand, dass sie offenbar der Religionsgemeinschaft der Quäker angehört, die entscheidenden Verhandlungen also in einer Quäker-Gemeinde stattfanden. In Boston, Massachusetts. Mehr New England geht nicht. Und dann hat der Mann promoviert, sie ist Künstlerin geblieben, die Töchter sind vermutlich wahre Schätze geworden und Mrs. Spicer erzählt uns das alles auch deshalb, weil sie inzwischen als Coach arbeitet für Frauen, deren innere Stimme nicht so laut ist wie die ihre  und die trotzdem ein von sich selbst erfülltes Leben haben möchten.



Das habe ich nicht erwartet, dass es neben den Biking in Berlin-Zeichnungen auch Installationen geben wird. Die einfachste für mich die schönste. Womit ich die anderen nicht herabsetzen will. Auch nicht mit dem Hinweis, dass sie mich an die Rope Drawings von O`Doherty erinnern. Im Gegenteil: das Wunderbare an den Schöpfungen von Mrs. Spicer ist, wie unangestrengt und unprätentiös sie sind und wie sie ohne das feuilletonistische Geschwalle auskommen, mit dem O´Doherty sich umgibt.


Room Drawings. Raumzeichnungen nennt Mrs. Spicer ihre Installationen aus Gummischnüren (?). Sie entwirft sie situativ, also auf den Ausstellungsraum oder den Raum eines Auftraggebers bezogen. Und sie gibt den Schöpfungen Titel wie Hanging Drawing Loop 11´ oder Hanging Drawing Loop 40´ Wie diese Schöpfung heißt, weiß ich ich nicht, es ist auf jeden Fall das, was Mrs. Spicer zu Julie Augusts Küche eingefallen ist:


Für Julie, die eine neue Freundin gewonnen hat, und für alle anderen Nancy, für mich Mrs. Spicer. Ich habe es nicht geschafft, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Ist in ihrem Fall schon okay. Nur weiß ich jetzt nicht, wie die korrekte Bezeichnung für das Material ist, mit dem sie ihre Room Drawings hängt – lead, rubber, acrylic paint, hooks, steht bei den Materialangaben. Gummischnüre? Habe ich noch nie gehört. Aber auch das macht nichts.







Die Ausstellung ist noch bis ca. 15. August zu sehen. Nach Voranmeldung. Kontaktdaten hier: www.18m salon.de .
Kunst: Ó Nancy Murphy Spicer
Fotos: Ó w.g.
Nachgetragen: lead = Kabel, aber sind das Kabel, so wie die hängen? Mrs. Spicer muss es wissen. Also Kabel. 

Mehr Fotos hier: Gastgeberin.

Mittwoch, 18. Juli 2012

Erleichterung



Ein Freund ist Polizist und es ist allein schon gut, mit ihm über die Sache zu reden, mit der ich bisher alleine war. Die Sache ist das elende Hacker-Thema in meinem Leben. Das Gespräch findet bei Milchkaffee und Cola Light in dem türkischen Frühstückscafé auf der Ecke Potsdamer/Großgörschenstraße statt, wo es sogar Raucherkabinette mit extra starker Entlüftung gibt.


In dem Raucherkabinett, in dem wir sitzen, gibt es hinter einer Sichtblende noch einen zweiten Tisch, an dem zwei junge Frauen Platz nehmen, die ich ganz vergesse, als ich dann  meinen Fall schildere, sehr anschaulich und daher ziemlich laut.




Als die beiden Frauen später aufstehen und gehen, bemerke ich, wie die Frau ohne Kopftuch mich im Weggehen mustert mit einer Miene, in der sich Neugier und Entsetzen mischen, doch das Entsetzen überwiegt. In einer für mich charakteristischen Reaktion denke ich: na, so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Obwohl es ein unerträglicher Zustand ist, mit dem ich nun so lange schon lebe und alle Versuche, den Zustand zu beenden, fehlgeschlagen sind, so dass ich mir alleine nicht mehr zu helfen weiß, deshalb jetzt das Gespräch und dabei die Überraschung, dass der Freund viel mehr für mich tun kann, als mir nur zu raten. Gefühl der Erleichterung hinterher. Aber dabei geht mir der Blick der jungen Türkin nicht aus dem Sinn. Was hat sie so entsetzt? Der unerträgliche Zustand oder wie ich über ihn geredet habe? Ich hätte ihr meine Karte mit der Blogadresse geben sollen für den Fall, dass sie sich noch mehr und öfter entsetzen möchte. 

Vorhaut


Zwei kleine Jungs, der eine christlich, der andere jüdisch, teilen sich ein Zimmer in der Klinik. Beide sollen am nächsten Tag operiert werden und fürchten sich sehr.
Fragt der christliche Junge den andern: Was soll denn bei dir gemacht werden?
Ich habe vergrößerte Mandeln. Die wollen sie mir herausschneiden, antwortet der jüdische Junge.
Ach, das ist gar nicht schlimm, sagt der christliche Junge. Im Gegenteil. Hinterher kriegst du nämlich ganz viel Eis zu essen.
Nun würde der jüdische Junge den christlichen Jungen auch gerne trösten und fragt ihn, weshalb er operiert werden soll.
Ich habe eine Phimose, antwortet der christliche Junge. Bei mir soll die Vorhaut weggeschnitten werden.
Oh, oh, oh, oh, sagt darauf der jüdische Junge. Das ist wirklich schlimm. Ich bin am achten Tag nach meiner Geburt beschnitten worden und danach konnte ich ein Jahr lang nicht laufen .

Dienstag, 17. Juli 2012

Packpapier



Kauft, Leute! Kauft! Dann macht Uliane auch gleich wieder ein freundlicheres Gesicht.


Das Märchen von der Blume. Text von Ronald M. Schernikau. 1980 hat Uliane ihn gemalt, zum ersten Mal Texte von ihm gelesen. Bald darauf ist er in die DDR übergesiedelt. Begeisterter Kommunist. In der DDR als Schriftsteller so unbekannt geblieben wie in der BRD. Bekennender Schwuler, als das noch nicht so leicht zu haben war. Kurz nach dem Mauerfall ist er an AIDS gestorben.


Dass eine Blume nicht weg kann, dem ist schwer zu widersprechen, sage ich mürrisch und deute dann auf das Hellblaue links: Aber was für eine tolle Illustratorin du bist, Uliane!


Ich krittele weiter am Text rum: von wegen Anstrengung braucht Mut. Pfff. Aber gegen Ulianes Verehrung für Schernikau komme ich nicht an. Sie blättert die Seite um und zeigt mir strahlend, wann Mut möglich ist ... . - Ja, das ist gut, lenke ich ein.


1990 hat Uliane Das Märchen von der Blume heraus gebracht. Gedruckt auf feinem Packpapier. Wegen der Farbe. (Hell)Braun ist die Erde oder der Sand, in dem die Blume wächst. Für eine Überlegung wie diese könnte ich sie knutschen.


Von 100 gedruckten Exemplaren hat Uliane damals 40 gebunden. Die sind alle weg. Aus Anlass eines Seminars über das Werk Schernikaus hat sie im Frühjahr vier neue Exemplare gebunden. Bleiben 56 Exemplare, die in Druckbögen vorliegen und auf Anfrage von ihr gebunden werden, also noch zu haben sind. – Was kostet denn so ein Buch, frage ich und jetzt bitte nicht erschrecken. – 900 Euro! antwortet sie. Ich schlucke und sie sagt: Handgedruckt! Handgebunden! Was glaubst du, was für eine Arbeit in jedem einzelnen Buch steckt! – Ich verstehe. Aber ist das ein Verkaufsargument? Ich habe ein besseres: Exklusiv! Jedes Buch ein Kunstwerk. Kunst zum Durchblättern. Kauft, Leute! Kauft!


Anfragen an Uliane Borchert über ihre Website oder über Mail an Biest zu Biest.