Mittwoch, 8. August 2012

Auserkoren


Vom Montag: 



Es war entweder die Kassiererin bei Reichelt oder die bei Aldi oder die bei Rossmann, Eine von ihnen hat mir an dem Samstag die türkische 1-Lira-Münze gegeben als ein 2-Euro-Stück, dem das Lira-Stück in Größe und Design täuschend ähnelt und es fühlt sich auch genauso an. Aber die Verkäuferin in der Bäckerei, wo ich anschließend war und mit dem vermeintlichen 2-Euro-Stück bezahlt habe, hat es sofort bemerkt, und nun stand ich in meiner Ahnungslosigkeit da wie ein Betrüger, obwohl ich der Betrogene war. Ich habe die Lira dann in die kleine Hosentasche der Jeans gesteckt, getrennt vom anderen Kleingeld, und habe sie als Einkaufswagen-Chip benutzt. Nach einem Hosenwechsel ist sie von mir unbemerkt zwischen das andere Kleingeld geraten, und als ich später in einem Internetcafé 2 Euro 40 zu zahlen hatte, da habe ich der jungen türkischen Frau an der Kasse ein Euro-Stück und die Lira gegeben, die ich für ein 2-Euro-Stück hielt. Die junge Frau hat gerade jemand gebraucht zum schlecht behandeln oder ich war ihr sowieso schon zuwider oder sie ist auch sonst so mies drauf gegenüber jedem, der nicht dem Slum angehört, aus dem sie sie gezogen haben, um sie an diese Kasse zu setzen. Sie hat jedenfalls so getan, als hätte sie mich bei einem besonders dümmlichen Betrugsversuch ertappt, während es mir in dem Moment an der Kraft fehlte, mich zu wehren, so dass ich die hässliche Szene in voller Breitseite abkriegte und mir hinterher schon überlegte, die Münze in den Gully zu werfen, um so etwas nicht noch mal erleben zu müssen. Aus Geiz (die Münze hatte immerhin zwei Euro gekostet) habe ich es dann gelassen. Ich habe die Münze wieder separat in die kleine Jeanshosentasche gesteckt, und heute habe ich sie erst bei Penny als Einkaufswagen-Chip verwendet und danach in der Musikbibliothek in den Münzschlitz eines Schließfachs geworfen. Als ich später meinen Rucksack aus dem Fach herausholen wollte, konnte ich es öffnen, aber das Lira-Stück steckte fest. Woran sich zeigte, dass es einen Tick dicker ist als ein 2-Euro-Stück. Mit Hilfe von zwei Bibliothekarinnen, die eine zupackend, die andere gute Laune verbreitend (Na, Sie haben ja ein heiteres Gemüt!), gelang es, die feststeckende Münze frei zu kriegen. Inzwischen war eine dritte Bibliotheksmitarbeiterin dazu gekommen. Alle drei Frauen betrachteten nun das Geldstück und meinten, dass man sie damit auch hätte reinlegen können im Supermarkt. Anschließend schenkte mir die zupackende Frau den Plastikchip, mit dem sie die feststeckende Lira freigekriegt hatte, und die Frau, die als letzte dazu gekommen war, fragte mich, was ich für das Lira-Stück wolle. Auf einmal hatte ich die Chance, den Verlust wettzumachen, den ich vorletzten Samstag beim Einkaufen erlitten hatte, als mich eine Kassiererin als den Deppen auserkoren hatte, dem sie die falsche Münze andrehen konnte, mit der sie in einem Moment der Unachtsamkeit selbst reingelegt worden war. - Was werde ich wollen? Keine Sekunde habe ich daran gedacht, von der Bibliotheksmitarbeiterin die zwei Euro zu verlangen, die mich die Lira gekostet hatte. Also habe ich ihr das Geldstück hingelegt, und als sie nun ihre Frage wiederholte, was ich dafür wolle, habe ich gesagt, dass ich es ihr schenke. Darauf hat sie die anderen interessanten ausländischen Münzen aufgezählt, die sie schon besitzt, und ich habe ihr gar nicht richtig zugehört und gedacht, dass das jetzt das Beste war, was ich mit dem verdammten Geldstück machen konnte: es herzuschenken.   

Abbildung via Wikimedia commons.